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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman
Autoren: Susanne Eder
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wollte er mit mir darüber sprechen?« Bandolf schob sich ein Stück Käse in den Mund.
    Der Propst schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Das glaube ich nicht. Wir standen mitten in der Verhandlung und hatten uns noch nicht geeinigt.«
    »Worum ging es bei Euren Geschäften?«
    »Ulbert besitzt … besaß … einen Weinberg in der Nähe von Trier. Da wir selbst dort das eine oder andere Stück Land besitzen, dachten wir, der Weinberg würde unsere Güter aufs Beste abrunden. Aber, wie gesagt, wir waren uns noch nicht einig.«
    »Was verlangte er für sein Land?«, erkundigte sich Bandolf. Er nahm einen Schluck aus seinem Becher, den der Cellerar aus dem Weinschlauch gefüllt und dabei die Hälfte des guten Roten auf den Tisch verschüttet hatte.
    Anstelle des Propstes antwortete Bruder Urbanus: »Er
wollte eine Leibrente für sich und seine Gemahlin. Eine unverschämte Forderung für den mageren Weinberg, wenn Ihr mich fragt.«
    Bandolf runzelte ungläubig die Stirn. Der Boden um Trier galt als sehr fruchtbar. Da war eine Leibrente sicher nicht zu viel verlangt.
    »War er ein Mann, der sich auf Geschäfte verstand?«
    Bruder Urbanus lachte schallend. »Wir verhandelten die meiste Zeit mit seinem Hausmeier. Der junge Edelmann gefiel sich mehr darin, sich in der Stadt mit seinen Kumpanen zu vergnügen und sich vor den Weibern großzutun.«
    »Tatsächlich?«, meinte Bandolf.
    »Unsinn«, wies der Propst den Kämmerer ärgerlich zurecht. An Bandolf gewandt sagte er: »Zu Beginn der Verhandlungen bekundete Ulbert wie nur jeder andere rechte Mann seinen Willen. Dass er später den Fortgang lieber dem erfahreneren Hausmeier überließ, kann man ihm kaum anlasten.«
    »Hatte er eine Kebse?«, fragte der Burggraf, eingedenk des zerdrückten Kranzes, den er in Ulberts Tasche gefunden hatte. Irgendwie machte Annalinde nicht den Eindruck auf ihn, als wäre sie ein Weib, das für ihren Gatten Kränze flocht.
    »Hmm … eine Kebse?«, wiederholte der Propst. »Nein, ich bezweifle, dass er eine Geliebte hatte. Er tändelte nur und sah sich von den Weibern wohl gerne bewundert.« Er zwinkerte Bandolf zu. »Ich denke, um sein Seelenheil mit Untreue zu gefährden, hätte es mehr Mutes bedurft, als Ulbert besaß.«
    »Wollt Ihr damit sagen, Ulbert von Flonheim sei ein Feigling gewesen?«
    »Aber keineswegs«, protestierte Bruder Crispin. »Er war nur … nun, vielleicht eine Spur zu nachgiebig, zu wenig nachdrücklich, nicht so tollkühn wie manch anderer seines Alters und Standes, wenn Ihr versteht, was ich meine.«

    Bandolf lächelte.
    »Wir hätten hier aber auch kaum davon erfahren, würde er eine Kebse gehabt haben«, warf Bruder Urbanus ein.
    Der Propst ignorierte ihn. »In jedem Fall kann man getrost behaupten, dass Ulbert von Flonheim ein guter Christ gewesen ist, der zu keiner Messe fehlte, und einer, dem Barmherzigkeit nicht fremd war«, sagte er an Bandolf gewandt. »Er nahm sich wie ein guter Samariter eines kranken Weibes an.«
    »Samariter? Ihr macht mich neugierig, Propst.«
    »Nun, ›Samariter‹ ist womöglich eine Spur übertrieben«, versetzte Urbanus. »Als Ulbert auf dem Weg nach Worms war, fand er ein krankes Weib am Wegrand. Er las sie auf und brachte sie zu den Nonnen nach Mariamünster.«
    »Und wer war sie?«
    »Das weiß niemand. Sie war wohl in zu schlechter Verfassung, um zu sprechen, doch ihrem Gewand nach muss es eine Frau von Stand gewesen sein. Obgleich die Nonnen überall herumfragen ließen, hat sie aber offenbar niemand vermisst«, antwortete Bruder Crispin.
    Bandolf kniff die Augen zusammen. Vage erinnerte er sich, dass Schwester Margarete, die Äbtissin des Klosters, vor einiger Zeit auch bei ihm hatte nachfragen lassen, ob er etwas über eine vermisste Frau wüsste. Er hatte ihr jedoch nicht weiterhelfen können.
    »Ist diese Frau denn noch im Kloster?«
    »Wahrscheinlisch ischt schie tot un hinüber«, nuschelte der Cellerar und gab sich augenscheinlich alle Mühe, die Augen offen zu halten. Mit vor Zorn gerötetem Gesicht funkelte der Propst ihn an. »Wolltet Ihr nicht nachsehen, ob die Vorräte durch den Regen heute Nacht gelitten haben?«
    Bruder Alfrad hievte sich gehorsam von der Bank, schenkte der Runde am Tisch ein verschwommenes Lächeln
und verließ das Refektorium mit nicht ganz sicheren Schritten.
    »Ihr müsst unseren Cellerar entschuldigen«, wandte sich Bruder Crispin an den Burggrafen, der das Pantomimenstück des Cellerars interessiert verfolgt hatte. »Er befindet sich
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