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Das Zeit-Tippen

Das Zeit-Tippen

Titel: Das Zeit-Tippen
Autoren: Jack Dann
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und Ängsten ersetzt wurden; aber Dinosaurier nahmen zuviel Platz ein und könnten nur in Bruchstücken in die gegenwärtige Welt gelangen – ein großer ornithischianischer Flügel, ein stegosaurischer Schwanz mit zwei Knochenplattenpaaren oder vielleicht ein gut einen Meter langer Tyrannosauruskopf.
    Die Zeit ist ein Loch, dachte Litwak. Er konnte dessen Sog fühlen.
    Immer wenn Litwak einen Fremden berührte – jemanden, der allzu viele Meilen und Minuten hergereist war, um festzustellen, wo er war – erfolgten ein Knall und ein Ruck, und die Person verschwand. So war Litwak drei aufgeputzte Damen, einen Archidiakon, einen Vogelhändler, einen Ritter mit normannischem Helm und mehrere sumerischen Sklaven losgeworden. Er fiel fast über einen Jungen, der verbissen versuchte, einem glatt abgetrennten Tyrannosauruskopf einen Zahn zu ziehen.
    Der Junge packte Litwaks Beine, nachdem er auf den Knien einige Schritte herbeigerutscht war, und biß ihn. Litwak schrie vor Schmerz auf, riß sein Bein los, hörte einen unvertrauten Knall und stellte fest, daß die Synagoge näher war, als er sie in Erinnerung hatte. Aber das war nicht seine Schul; es war eine Kathedrale, eine Karikatur seiner geübten Synagoge.
    „Haltet ihn“, rief der Junge mit einem so starken Akzent, daß Litwak kaum verstehen konnte, was er sagte. „Er ist der Dieb, der aus der Schul stiehlt.“
    „Eu, eu, das ist er falsche Ort“, sagte Litwak und rannte zur Kathedrale.
    Ein paar Hände grapschten nach ihm, aber dann war er drinnen. In Gottes Salon war, würde und mußte alles beim alten sein: großer Lichtgaden; Doppelflügel für Donnerstagsprozessionen; strahlenförmige Kapellen nach dem Modell von Amiens 1247; und Schiff, Chor und Türme, alle den strengen Regelungen des halachischen Gesetzes stilgemäß.
    Über dem Altar, direkt über der heiligen Lade, hing eine Bronzeplatte mit der Darstellung des Eies von Khumu, der die Substanz der Welt auf einer Töpferscheibe schuf. Und an dem mit Samt bezogenen Pult stand, das kantige Gesicht in ein Gebetbuch vertieft, Rabbi Rhampsinitus.
    „Heilig, heilig, heilig“, intonierte er. Fünfundzwanzig alte Männer sangen und klagten und beteten auf das Stichwort hin. Sie alle hatten Bärte und Schläfenlocken und trugen konische Käppchen und Gebetsriemen und Talis.
    „Das ist er“, rief der Junge.
    Litwak rannte zum Pult und küßte das heilige Buch.
    „Dieb, Räuber, Plünderer, Verwüster.“
    „Schluß damit“, sagte Rhampsinitus. „Der Gottesdienst ist beendet. Gott hat nicht geblinzelt. Alles Gute“, sagte er zu dem Jungen.
    „Schaut Euch doch an, wer er ist.“
    Rhampsinitus erkannte Litwak sofort. „Das ist also der Dieb. Du Stehler aus Gottes Schatzkammer bist als Einbrecher exkommuniziert worden.“
    „Aber ich habe nicht aus der Schul gestohlen. Es ist nicht einmal meine Zeit und mein Ort.“
    „Er spricht eine barbarische Sprache. Was heißt Schul?“
    „Dieser Paley Litwak wurde zwei- oder dreimal entfernt“, schaltete sich Moishe Hodel ein, der sich durch das Zeit-Tippen nach Belieben in jede Synagoge, die Gott um ihn herum zu errichten gefiel, zu versetzen vermochte. „Er ist neu. Schaut und hört zu. Dieser Paley Litwak stiehlt wahrscheinlich nicht aus der Synagoge. Könnt Ihr ihm etwas in die Schuhe schieben, das irgendein anderer getan hat?“
    „Moishe Hodel?“ fragte Litwak. „Bist du derselbe, den ich aus der Beth David am King’s Highway gekannt habe?“
    „Wer weiß?“ sagte Hodel. „Ich kenne eine Beth David, aber nicht am King’s Highway, und ich kenne einen Paley Litwak, der an der Zeit festhielt und eine Frau namens Golde hatte, die Hamster züchtete.“
    „Das kommt der Sache nahe, aber…“
    „Mach dir keine Sorgen. Ich spreche für dich. Es dauert ein paar Stunden, den Slang zu lernen, aber er ist wie Jenglisch, nur gedehnter und mit zu vielen Ägyptismen gespickt.“
    „Hör auf zu lästern“, sagte Rhampsinitus. „Philosophie und Logik sind schön und gut“, sagte er zu Hodel. „Aber das hier ist eine Gesellschaft des Gesetzes und keine der Philosophen, und das Gesetz fordert Entschädigung.“
    „Aber ich habe kein Geld“, sagte Litwak.
    „Da hast du deine Logik“, sagte Rhampsinitus. „Geld, besonders von so einem barbarischen Grünschnabel wie dir, kann nicht die Tat ersetzen. Private Unsittlichkeit und öffentliches Ärgernis sind ein und dasselbe.“
    „Er hat recht“, sagte Hodel mit leichtem Akzent.
    „Sperrt den Abtrünnigen
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