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Das Zeit-Tippen

Das Zeit-Tippen

Titel: Das Zeit-Tippen
Autoren: Jack Dann
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ein“, sagte der Junge.
    „Das soll geschehen“, erwiderte Rhampsinitus. Er machte ein heiliges Zeichen und segnete Litwak flüchtig. Dann zerrten ihn die Sheriffs des Jungen mit.
    „Mach dir keine Sorgen, Paley“, rief Moishe Hodel. „Die Dinge ändern sich.“
    Litwak versuchte, den Sheriffs zu entwischen, aber er vermochte nicht, die Zeit zu ändern. Es ist nur eine Frage des Willens, sagte er sich. Mit Gottes Hilfe könnte er eine Änderung bewerkstelligen und in ein anderes Jahrhundert, eine freundlichere Zeit, treten oder schlüpfen.
    Aber noch nicht. Nichts änderte sich; sie gingen schnurstracks zum Gefängnis, zu einer großen Pyramide, die noch Spuren ihres ursprünglichen Kalksteinputzes aufwies.
    „Da wären wir“, sagte einer der Sheriffs. „Das ist eine bescheidene Stadt. Wir brauchen kein Gesindel und Lumpenpack – es reicht, daß wir Ausländer haben. Also tipp die Zeit oder entwische oder fliehe woandershin. Sonst gibt es keinen Ausweg aus dieser Verwahrung.“
    Sie verwahrten ihn in einem engen Gang und legten hinter ihm den Schlußstein darauf.
    Das Atmen fiel schwer, und die feuchte Luft stank. Es war völlig dunkel. Litwak konnte seine Hände nicht vor den Augen sehen.
    Gotenju, dachte er, als er sich auf den kalten Steinboden hockte. Ich wette, daß sie vorhaben, mich einzumauern. Er sagte das Schma Jißroel auf und wiederholte es vor sich hin, um sich die langen Sekunden mit jeder Silbe zu verkürzen.
    Zwei Tage lang betete er; zumindest kam es ihm wie zwei Tage vor. Vielleicht waren es nur vier Stunden. Als er des Betens müde war, verfluchte er Moishe Hodel und wünschte, daß er zur Hölle fahre und sich die Finger breche. Litwak nieste, bekam einen nervösen Hustenanfall, und seine Augen tränten. „Es ist Gottes Wille“, sagte er laut.
    Gleichsam als Erwiderung sang eine dünne ferne Stimme: „O meine Göttin, o meine Göttin, o meine Göttin Cle-men-tine!“
    Es war ein bekanntes Volkslied, das in einem merkwürdigen spanischen Dialekt gesungen wurde. Aber Litwak konnte es verstehen, denn seine Familie mütterlicherseits sprach Ladino, die Mundart der Spanioli-Juden.
    Also dahin, dachte er. Er spürte die Änderung. Sobald er einmal Gottes Langmut gewonnen hatte, konnte er entwischen, die Zeit tippen und sich davonmachen.
    Litwak folgte der Stimme. Der Boden begann anzusteigen, als er durch die von Fackeln beleuchteten Gänge und Höfe und Räume ging. An manchen Orten, die noch nicht zu Wohnkammern ausgehauen waren, waren Stalaktiten und Stalagmiten übriggeblieben. Manche der Räume waren mit Wandgemälden von Wolken, Blitzen, der Sonne und maskierten Tänzern und Tänzerinnen geschmückt. In einem Raum befand sich ein Fries mit einer großen geflügelten Schlange; in einem anderen standen lebensgroße Berglöwen aus Lavagestein. Aber keiner der Räume war bewohnt.
    Schon bald fand er die Öffnung der Grotte. Der grelle Sonnenschein blendete ihn einen Augenblick.
    „Ich habe auf dich gewartet“, sagte Castillo Moldanado in einer Abart des Kastilischen. „Du bist der dritte. Ein Mädchen ist gestern eingetroffen, aber es möchte für sich bleiben.“
    „Wer bist du?“ fragte Litwak.
    „Ein Gast, wie du.“ Moldanado kratzte an einem schwarzen Muttermal unter seinem Auge und glättete sein dunkles schütteres Haar.
    Litwaks Augen gewöhnten sich an den Sonnenschein. Vor ihm lag eine Wüste. Zedern- und Pinienhügel waren Luftspiegelungen in den Sonnenstrahlen. In weiter Ferne überragten einzelne Tafelberge und steile Felsen rote Täler und ausgetrocknete Flußbetten. Es war ein durstiges Land aus Staub und Sand und Schmutz, das nur von wenigen braunen Feldern, einer Ranch oder einer gelegentlichen Handels- oder Missionsstation unterbrochen wurde. Aber zu seiner Rechten und Linken und hinter seinem Rücken florierten Pueblos auf den Felsenhängen. Felsenbehausungen und Ortschaften, aus dem Gestein gehauen, beherrschten Ebene und Wüste.
    „Es sieht wie ausgestorben aus“, sagte Moldanado. „Aber rings um dich herum ist Leben. Die Indianer sind überall auf den Felsen und in der Wüste. Hinter dir ist der Felsenpalast, der hundertfünfzig Räume hat. Und sie haben Felsenorte im Canon del Muerte und südlicher in der Walnußschlucht.“
    „Außer uns sehe ich keinen hier“, sagte Litwak.
    „Sie verstecken sich“, sagte Moldanado. „Sie erkennen die Änderung und halten uns für Götter. Sie haben Angst vor noch einer schwarzen Kaschina, einem bösen
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