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Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Titel: Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Autoren: Helen Bryan
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die Medaille ab, damit die Kette nicht an der Luke hängen bleibt und sie verletzt«, sagte der Matrose mit dem Kind auf dem Arm zu seinem Begleiter. Dieser wickelte die Kette ab und schob sie zusammen mit der Medaille durch die Luke. Gerade wollte er das Kind auf den Boden stellen, als sie hinter dem Tor die Pförtnerin kreischen hörten. Sie schob die Medaille zurück und sagte, sie müssten das Kind und die Medaille zur Oberin bringen. Dann schlug sie die Luke zu.
    Nun konnten sie atemlose Stimmen auf der anderen Seite des locutio hören – »Öl aus der Küche, Mutter Oberin« – und eine blasse Hand mit einem schmalen Goldring wurde durch die Gitterstäbe sichtbar. Mit einem Tuch rieb sie fieberhaft am Schloss. Mit lautem Knarren ging das Eisentor schließlich einen Spalt weit auf.
    »Nun?«, fragte die Oberin gebieterisch. Sie war hoch gewachsen und ehrfurchtsgebietender denn je, weil sie durch die ständige Knappheit an Lebensmitteln im Kloster hager geworden war. Sie rührte die zubereiteten Speisen kaum an und gab vor zu fasten, damit so viel wie möglich für die Kinder blieb.
    Die beiden Matrosen traten nervös einen Schritt zurück. »Wir wollten sie zum Waisenhaus bringen, wir haben sie vor einer Woche auf dem Meer gefunden«, setzte der eine an, der das Kind auf dem Arm hatte. »Und sie hatte das hier um den Hals … Zeig sie ihr, Juan.« Der andere nickte und hielt eine grünliche Scheibe hoch, die an einer angelaufenen Goldkette baumelte. Die Oberin blinzelte, nahm sie in die Hand, um sie genauer anzusehen und drehte sie um. »Wo … haben … Sie … die … her?«
    Der andere Matrose antwortete: »Sie trug sie um den Hals, als wir sie fanden. Sie war ganz allein auf einem Fischerboot, das einzige Lebewesen weit und breit. Die Kette war viele Male um ihren Hals gewickelt, Mutter Oberin, so als hätte jemand gehofft, dass die Medaille sie schützen würde. Und das hat sie wohl auch getan – es ist ein Wunder, dass sie überlebt hat.«
    Die Oberin starrte auf die Medaille. Sie traute ihren Augen kaum. Über Jahrhunderte hatten sie in ihrem Orden die alten Geschichten über die Medaille des Klosters, ihre Beschreibung und ihre Herkunft lebendig gehalten, obwohl die Medaille selbst verschwunden war. Doch nun hielt sie eine Medaille in der Hand, die genau zu der Beschreibung passte – auf der einen Seite eine Schwalbe, auf der anderen das Bild einer Frau. Konnte es wirklich wahr sein? » Deo gratias «, brachte sie schließlich hervor. »Sie haben recht getan.« Sie nahm das kleine Mädchen und wies Sor María Gracia an, auf der Stelle etwas zum Anziehen für die Kleine zu suchen und etwas Geld aus der Armenbüchse zu nehmen und eine Laienschwester zum Milchholen zu schicken.
    Während Sor María Gracia in Richtung Armenbüchse davontrippelte, machte Sor Rosario Gurrlaute und streckte die Arme nach der Kleinen aus. Die Oberin gab sie ihr und sah sich die Medaille genau an. Einer der Matrosen räusperte sich schließlich. Die Oberin blickte auf. Instinktiv wusste sie, dass der Bischof nichts von all dem erfahren durfte. »Bitte, sprechen Sie mit niemandem über Medaillen und Wunder und dergleichen! Das würde nur sensationsgierige Leute zum Kloster locken und wir haben sowieso schon alle Hände voll zu tun. Die Kleine ist einfach ein weiteres Kind für das Waisenhaus.«
    »Ja, Mutter Oberin.«
    »Gott segne Sie«, sagte sie knapp, schob das quietschende Tor wieder zu und schloss ab.
    Dann lehnte sie sich erschöpft gegen die Mauer. Die Verantwortung lastete schwer auf ihren Schultern. Was war zu tun? »Schicken Sie nach dem Pater. Möglicherweise ist das Kind getauft, doch wir können uns nicht sicher sein. Wir werden sie Isabela Salom é nennen. Aber erwähnen Sie ihm gegenüber die Medaille nicht.«
    Die Oberin tat das Einzige, was eine Nonne tun konnte: Beten. Sie kehrte in ihr Büro zurück, schloss die Tür hinter sich und sank auf ihrem Betstuhl auf die Knie. Vor langer Zeit hatte die Ehefrau eines spanischen Vizekönigs das schwere hölzerne Möbel einer früheren Oberin des Klosters überreicht. Es war solide und unbeweglich wie ein Thron, mit reichen Schnitzereien von Engeln und Totenköpfen versehen, ganz im Stil des siebzehnten Jahrhunderts. Die Oberin betete, wie sie nie zuvor gebetet hatte, bat um Inspiration, wo die verschwundene Chronik verborgen sein mochte. Es war ungeheurer wichtig, dass sie sie fanden – darin war die ganze Geschichte enthalten, sie musste doch irgendwo sein … Sie
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