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Das Wunder von Bern - Fußball spielt Geschichte

Das Wunder von Bern - Fußball spielt Geschichte

Titel: Das Wunder von Bern - Fußball spielt Geschichte
Autoren: Peter Kasza
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vorsichtig selbstbewussten »Ja, also liebe Ungarn, jetzt müssen wir sagen: Jetzt habt ihr Glück gehabt«, kurz vor der Halbzeit, als beinahe die Führung für die Deutschen gefallen wäre, bis hin zu »Toooor! Toooor! Toooor! Toooor!« und »Aus! Aus! Aus!« Die Reportage ist ein Glanzpunkt – und sie ist ein Spiegelbild der deutschen Seele der fünfziger Jahre: Zimmermanns Betonen, es handle sich nur um ein Fußballspiel, sein Enthusiasmus und die auf dem Fuße folgende Entschuldigung dafür.

    Der ungarische Nationaltorhüter Gyula Grosics beim »Jahrhundertspiel« im Wembley-Stadion, das die Ungarn 6:3 gegen England gewannen.
    Â»Die Hymnen sind verklungen, in Kürze beginnt das große Endspiel. Nach langen Wochen aufregender Spiele treffen heute noch einmal die ungarische und westdeutsche Auswahl aufeinander, um herauszufinden, wer der Beste ist. Bisher hat bei den vier stattgefundenen Weltmeisterschaften zwei Mal Uruguay und zwei Mal Italien gewonnen. Wie es heute auch ausgehen wird – es wird ein neuer Name sein, der in den Rimet-Pokal eingraviert werden wird«, so begann der ungarische Kommentator György Szepesi seine Reportage – und dass Ungarn als Sieger vom Platz gehen würde, daran zweifelte der Reporter genauso wenig, wie der Rest der Nation. »Szepesi gehörte mit zur Goldenen Mannschaft«, sagt der Schriftsteller György Dalos, der das Spiel damals als Zwölfjähriger in einem Lungensanatorium mit 20 anderen Jungens angehört hatte. »Seine Reportagen waren in romantischem Stil gehalten, mit sehr vielen Emotionen.« Von seinem jovialen »Na, jetzt ist alles in Ordnung« nach dem frühen 2:0 über ein flehendes »Jungens aufpassen! Ruhig spielen! Wir haben noch Zeit! Wir müssen dieses Spiel gewinnen!« nach dem deutschen Ausgleich und über ein: »Es ist schwer, sehr sehr schwer. Wer hätte gedacht, dass die Deutschen einander die Bälle so gut zuspielen. Mit ihrer Stürmerreihe machen sie (…) die ungarische Verteidigung verrückt« kurz vor der Halbzeit, bis hin zum weinenden »Liebe Hörer, Rahns Schuss ist drin, in der rechten Ecke, sechs Minuten vor Schluss. (…) Die Jungens stehen zusammengebrochen da. Die Menge schreit. Sechs Minuten noch. Blendend hat die ungarische Mannschaft gespielt. Ich kann nichts anderes sagen. Meine Tränen fließen, aber glauben sie mir, dass die Jungens alles gegeben haben.« Szepesi sprach 90 Minuten ununterbrochen – mit der Geschwindigkeit eines Maschinengewehrs. Er schrie, er haderte mit dem Schicksal – und im nächsten Satz analysierte er treffend die Fehler der ungarischen Hintermannschaft. Er lobte die Deutschen: wunderbaren Fußball würden sie spielen, aus dem Lehrbuch – so wie seine Reportage. würden sie spielen, aus dem Lehrbuch – so wie seine Reportage.
    Die beiden Reporter synchronisierten das Wunder und die Katastrophe. Auszüge ihrer Reportagen führen als Roter Faden jeweils zu Beginn der Kapitel durch dieses Buch – denn die Nachkriegsentwicklungen der Nationalmannschaften und der Nationen – sie folgten der gleichen Dramaturgie wie das Endspiel von Bern.
    Und noch ein Reporter war live dabei: Wolfgang Hempel, der Kommentator des DDR-Rundfunks. Seine Reportage klang etwas reservierter: »Hallo liebe Fußballfreunde in Deutschland. (…) Der große Tag ist da. Der Tag des Fußballendspiels der Fußballweltmeisterschaft 1954. In dieser Sekunde hat Schiedsrichter Ling aus England das Spiel angepfiffen. Das letzte Spiel nach 25 Auseinandersetzungen soll nun den Besten der Fußballweltmeisterschaft 1954 ermitteln. Ungarn gegen Westdeutschland, das ist diese Paarung (…) im restlos ausverkauften Berner Wankdorfstadion.«
    Das war der Auftakt für einen Seiltanz. Hempel durfte nur von der westdeutschen Mannschaft sprechen, keinesfalls von der deutschen – Anweisung von oben. Mit dem Klassenfeind wollte sich die offizielle DDR nicht gemein machen und drückte die Daumen für den sozialistischen Bruderstaat. Die Bevölkerung hielt allerdings aus nationaler Verbundenheit eher zu ihren westlichen Landsleuten. So saß Hempel zwischen allen Stühlen – und kommentierte mit objektiver Begeisterung.
    Wie die DDR in der Zeit, da sich die Teilung Deutschlands auf Dauer manifestierte, mit dem Spiel umging, das ist ein eigenes Kapitel wert. Denn auch hier spielte
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