Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Wrack

Titel: Das Wrack
Autoren: Friedrich Gerstäcker
Vom Netzwerk:
zu schnell waren? – Aber er selber ist so rasch in seinen Bewegungen, wenn er will, dass er sogar den Delphin einholt – Ob sie ihm wirklich dazu dienten, seinen Raub anzuzeigen? – Wer weiß es; es ist das noch eins von den unergründeten Geheimnissen der Tiefe, von welchen der Mensch viel zu wenig zu sehen bekommt, um sich ein bestimmtes Urteil darüber anzumaßen.
    Genug, die Lotsenfische sind da; sie begleiten den Hai, wohin er geht, oft sechs oder sieben derselben zu gleicher Zeit, und man hat beobachtet, dass sie zurück zu ihm schwimmen, wenn sie irgendeinen Gegenstand finden, der zu groß für sie ist. Welchen Nutzen sie aber dabei haben können, wenn er den Bissen verschlingt, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben.
    Am Bug trieb sich der Hai eine Weile umher, und oben von der Back aus konnten die Leute deutlich das grünschillernde Ungeheuer mit den kleinen tückisch blitzenden Augen in der Kristallflut erkennen, wie es behaglich in seinem Element dahinruderte, und lässig bald nach rechts, bald nach links hinübersteuerte.
    Die kleinen Lotsenfische waren indes verschwunden, aber bald da, bald dort aufgetaucht, und einer von ihnen musste auch wohl den am Ruder ausgehangenen Brocken gefunden haben, denn er stellte sich bald darauf wieder bei seinem gefräßigen Begleiter ein, und dieser schwamm jetzt langsam zu Larbord des Schiffes nach hinten, wo ihm der weiß und silbern blitzende Speck nicht entgehen konnte. Aber er war auch hier nicht in Eile. Ob ihm das Tau daran nicht gefiel? Er roch daran, drehte sich dann um und schwamm fort; aber der Bissen war doch zu delikat, um ihn so ganz ohne weiteres aufzugeben. Er kehrte zurück, und da er jetzt von der andern Seite kam, wo ihm das Tau nicht im Wege hing, drehte er sich bald auf die Seite, öffnete faul den breiten Rachen und – weg war der Speck.
    » Haul on board!«, rief der Kapitän, der selber mit besonderem Interesse die faulen Bewegungen des Fisches beobachtet hatte, während der Steuermann das Tau, das aber mit seinem Ende wohl befestigt war, in der Hand hielt, und die umstehenden Matrosen genau aufpassten, dass sie nicht, bei einem plötzlichen Fluchtversuch des Hais, mit den Füßen in das Tau gerieten, denn gar nicht selten ist schon dadurch ein Unglück geschehen.
    Das Tau wurde angezogen und der Fisch fühlte den Haken. Eine solche Gewalt hat aber das Ungetüm im eigenen Element, wo es seiner freien Bewegungen noch nicht beraubt ist, dass der Hai den neun das Tau haltenden Männern dieses, wie von Dampfkraft getrieben, aus der Hand riss, dass sie kaum schnell genug loslassen konnten, und es dann anspannte, dass es klang. – Aber es hielt und der Haken saß, und jedes andere lebende Wesen, wie gerade ein Fisch, wäre durch den furchtbaren Ruck selber bewusstlos geworden – nicht so der Hai. Er fühlte, er könne nicht fort, und während ihm der mit seinen Riemen ausgehaltene Stoß nicht die geringste Unbequemlichkeit zu verursachen schien, schoss er jetzt, so weit ihn das Tau ließ, herüber und hinüber und peitschte mit seinem Schwanz die Flut zu Schaum.
    Aber er kam nicht mehr los; die jubelnden Matrosen ließen ihn noch eine Weile hin- und herarbeiten, bis selbst seine Kräfte nachließen, dann zogen sie langsam und allmählich das Tau an, aber dabei immer noch vorsichtig einen Rundschlag um die Pinnen nehmend, bis sie an einer der Pardunen einen Block befestigt hatten, durch diesen das jetzt freie Ende brachten, rasch nachholten und nun mit einem lauten »Oh jolly men, hoy!« den Fisch gewaltsam aus seinem Element herauf und zum Schwingen brachten. Jetzt hatte er seine Kraft verloren, das Gewicht wurde leicht bewältigt, und wenige Minuten später lag er, mit einer durch den Rachen gestoßenen Handspeiche, auf Deck, wo ihm der Koch rasch mit einem schon bereitgehaltenen Beil den Schwanz einhackte und abschlug.
    Noch waren die Matrosen damit beschäftigt, dem nun getöteten Hai teils das Rückgrat auszulösen, das sie zu Spazierstöcken verarbeiten, teils die mit den vielfachen Zahnreihen bewehrten Kinnladen auszuschneiden und auch wohl Stücke der rauen Haut – das beste Chagrain – abzutrennen, als sie der Ruf des Kapitäns davon abstehen machte.
    Im Süden, wo bis jetzt ein düsterer Nebel gelagert hatte, wurde ein breiter dunkler Wolkensaum sichtbar, der rasch höher und höher stieg. Dort kam eine Brise auf, und zwar gerade daher, von wo man sie am besten brauchen konnte, und es war deshalb nötig, die Vorbereitungen dazu zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher