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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht
Autoren: Kai Meyer
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sie finster, nachdem der Kranich den Boden berührte, auf seinen Stelzenbeinen in die Hocke ging und den Stoß der Landung abfederte. » Was, wenn Feiqing gelogen hat? «
    Feiqing, der falsche Drache – ein Mann ohne Gedächtnis, den ein Zauber in einem lächerlichen Drachenkostüm gefangen hielt. Er hatte Nugua und Niccolo auf ihrer Reise begleitet und als Erster von dem Wächterdrachen berichtet, dem er angeblich das Dasein in seinem Kostüm verdankte. Und obwohl Feiqing so etwas wie ein Freund geworden war, vertraute sie ihm nicht uneingeschränkt – was daran liegen mochte, dass sie niemandem vertraute . Nicht einmal Niccolo, für den sie mehr empfand, als sie sich eingestehen wollte. Seine Liebe zu Mondkind hatte ihn unberechenbar gemacht; Nugua wusste noch immer nicht, wie sie damit umgehen sollte.
    » Sei vorsichtig beim Absteigen «, riet ihr der Xian, abe r d a war sie schon nach hinten über das Schwanzgefieder des Kranichs gerutscht und versuchte, mit beiden Füßen gleichzeitig am Boden aufzukommen. Doch statt im Stehen zu landen, knickten ihre Beine ein. Ihre Knie waren nach dem langen Vogelritt wachsweich, ihre Beine ohne Kraft. Keuchend lag sie am Boden, biss die Zähne zusammen und versuchte sich einzur e den, dass ihre Schwäche nichts mit der Purpurnen Hand auf ihrer Brust zu tun hatte.
    Der Xian sprang trotz seines ungeheueren Gewichts leichtf ü ßig vom Kranich und landete auf dem Fels. Sie hatte den Verdacht, dass sein Schwanken nur gespielt war, damit sie sich nicht noch ungeschickter fühlte.
    Er half ihr auf, aber es dauerte eine ganze Weile, ehe sie einigermaßen sicher stehen konnte. Ihre Beine und Hüften kribbelten wie von Ameisengift, aber Li meinte, das sei ein gutes Zeichen: Das Blut flösse zurück in ihre Glieder, und schon bald werde sie wieder die Alte sein.
    Sie waren auf einer lang gestreckten freien Fläche gelandet, nicht sehr breit, aber mindestens fünfzig Meter von einem Ende zum anderen. Überall um sie wuchsen die riesenhaften Rippe n bögen der Drachengebeine empor, fünf- oder sechsmal so hoch wie sie selbst. Der Kranich setzte sich nieder und ließ seine Beine unter dem Gefieder verschwinden. Müde bog er den Hals nach hinten und schob seinen langen Schnabel unter die linke Schwinge.
    » Er hat sich ein wenig Ruhe verdient. « Li streichelte über den Kopf des Vogels und schaute sich um.
    » Hier ist kein Drache! «, brachte Nugua in einem Anflug von Panik heraus. » Zumindest kein lebender! Er hätte uns doch längst bemerken müssen. «
    » Hmm «, machte Li, was alles und nichts bedeuten mochte.
    Sie ging mit wackligen Schritten zum nächstbesten Rippenb o gen hinüber und berührte ihn mit den Fingerspitzen. Der Knochen reckte sich Ehrfurcht gebietend ins Dämmerlicht wie ein geschälter Baumstamm; nicht einmal gemeinsam hätten Nugua und Li ihn mit ausgebreiteten Armen umfassen können. Hoch über ihnen war die Rippe mit einem grotesk langen, vielfach segmentierten Brustbein verwachsen, das von Dutze n den ähnlicher Rippenbögen in der Luft gehalten wurde.
    Li trat neben sie. » Schwer vorzustellen, dass das hier einmal ein lebender, atmender Drache war, hm? «
    Der Knochen fühlte sich an wie Stein. Plötzlich kämpfte Nugua mit den Tränen. Der Schmerz der langen Trennung von Yaozi und den anderen stieg in ihr empor. » Ich vermisse sie so «, schluchzte sie. Sie hasste sich, wenn sie weinte, sogar jetzt noch.
    Li zog sie unbeholfen an sich und tröstete sie. Alles drängte zugleich auf sie ein. Die Sorge um die Drachen, ihre einzige Familie. Die Angst um Niccolo und ihre Verzweiflung über den Bann, der ihn an Mondkind fesselte . Selbst der Druck des Versprechens, das sie ihm bei ihrer Trennung am Lavastrom gegeben hatte, war mit einem Mal zu viel für sie: Falls es gelang, sie zu heilen, dann würde sie an Niccolos Stelle den Atem eines Drachen zum Wolkenvolk bringen. Der Aether, den die Drachen ausatmeten, sammelte sich jenseits des Himmels in einer Schicht aus goldenem Dunst; von dort pumpte ihn das Wolkenvolk herab und verlieh damit seiner Wolkeninsel Festigkeit. Dass der Aether aber zugleich ihrer aller Leben bedrohte, gar die Existenz der ganzen Welt, war etwas, das Nugua noch immer kaum glauben konnte. Und dass die Aethe r pumpen des Wolkenvolks versiegt waren und nun auf anderem Wege Drachenatem herbeigeschafft werden musste, schien ihr selbst jetzt noch bizarr und sehr weit weg von allem, was sie je mit eigenen Augen gesehen hatte.
    Der Gedanke an
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