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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert
Autoren: Kai Meyer
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zuraste.
    Die Hand des Mandschuhauptmanns prallte flach vor Nuguas Brust, mit einer Kraft, dass sie glaubte, ihre Rippen brächen in tausend Stücke. Ein, zwei Sekunden lang blieb seine Handfläche fest auf ihren Körper gepresst, genau auf ihrem Herzen. Dann ließ der Druck plötzlich nach.
    Als Nugua wieder in seine Augen blickte, sah sie nichts als Nadeln. Sie funkelten im Lavaglanz wie seine Eisenstirn.
    Seine Hand an ihrem Hals ließ los. Nugua fiel zu Boden. Röchelnd kam sie auf den Knien auf, schaute gleich wieder nach oben und sah Lotusklaue stürzen, rückwärts auf die Felsen, ein scheußliches Lachen im roten Gesicht.
    Und schon war Wisperwind bei ihr, schob sie nach hinten, bis sie auf dem Rücken lag, und zerrte Nuguas schmutziges Wams nach oben.
    » Heh! «, krächzte sie noch, aber sie hatte keine Kraft mehr, sich zur Wehr zu setzen. Sie sah nur Wisperwinds sorgenvolle Miene über sich, dann auch Lis Gesicht, erfüllt von einem tiefen Grauen.
    Erst einen Atemzug später begriff sie, dass Sorge und Schr e cken der beiden ganz allein ihr galten. Ihr selbst und dem, was sie auf ihrer nackten Brust sahen.
    Jenseits der Felsen ertönte ein Kreischen, dann erhob sich der Kranich über der Kuppe und segelte den Hang herunter. Er schaukelte leicht, war angeschlagen wie sie alle, aber äußerlich unversehrt.
    Mühsam hob Nugua den Kopf und blickte über das zusa m mengeschobene Wams an sich hinab.
    » Was … ist das? « Ein leises Stöhnen, verständlich nur für sie selbst.
    Li legte schwer eine Pranke auf Wisperwinds Schulter. Hinter ihm landete der Kranich. Auch Feiqing kam herbeigeschlittert, den Hang hinunter, die Augen weit aufgerissen.
    » O nein! «, entfuhr es ihm, als er sah, auf was sie alle starrten.
    » Was – « Nuguas Stimme versagte. Sie blickte noch einmal auf ihre Brust und kniff die Augen zusammen, um schärfer zu sehen.
    Es hatte Ähnlichkeit mit einem blauen Fleck, jedoch sternfö r mig und scharf umrissen. Wie aufgemalt. Dann erkannte sie es – ein Abdruck von Lotusklaues Hand. Die Finger lagen gespreizt auf ihrem Herzen, so als wollten sie es festhalten.
    Das Lachen des toten Mandschu klang noch immer in ihren Ohren.
    » Die Purpurne Han d «, raunte Wisperwind.
     
    GEFANGENE HERZEN
     
    N och bevor Niccolo die Augen aufschlug, war sein Blick von waberndem Rot erfüllt. Der Lavasee brachte den Himmel zum Glühen. Die Helligkeit war durch seine Lider gesickert, noch während er aus der Bewusstlosigkeit erwachte.
    Vor ihm stand Mondkind.
    Stand nur da und betrachtete ihn. Ihre weißen Seidengewänder bauschten sich im heißen Wind. Lange dünne Bahnen flatterten in alle Richtungen wie Spinnweben und schienen endlos, weil sie eins wurden mit dem allgegenwärtigen Flimmern der Luft.
    Er lag auf der Seite, als er die Augen aufschlug und sie en t deckte. Mit einem Ruck wollte er sich aufrichten, aber der Versuch scheiterte kläglich. Kaum hielt er den Oberkörper aufrecht, traf ihn der Schwindel wie eine Faust. Er musste sich mit beiden Händen am Boden abstützen, um nicht nach hinten zu fallen.
    Mondkind schenkte ihm ihr trauriges Lächeln. Sie stand keine drei Schritt vor ihm, kam ihm aber nicht zu Hilfe, fast so als fürchtete sie, ihm zu nahe zu kommen. Er hatte nie vergessen, wie hübsch sie war, ihre Haut ganz blass und transparent wie Nebel. Jetzt erkannte er, dass die Wirklichkeit seine wehmütigen Erinnerungen um ein Vielfaches übertrafen.
    » Li sagt … du hast fünf Xian getöte t «, brachte er stockend hervor. » Ist das wahr? «
    » Macht das einen Unterschied? «
    Er stöhnte leise. » Das sollte es. «
    » Ich könnte deine besten Freunde und deine ganze Familie ermorden, und du müsstest mich trotzdem lieben. « Ihr Lächeln zerschmolz zu Mitgefühl. » Ich habe das nicht gewollt, Niccolo. Aber ich hatte keine andere Wahl. Ohne dein Chi hätte Guo Lao mich besiegt. Und nun sind wir aneinander gebunden wie die Liebenden in den alten Legenden, ebenso fest – und ebenso aussichtslos. «
    Er blinzelte den Tränenschleier fort, der sich vor seine Augen legte. Die Hitze. Er war nicht sicher, ob Mondkind wirklich vor ihm stand. Aber das Lavalicht und die blutroten Wolken bildete er sich gewiss nicht ein. Falls es ein Traum war, dann einer, der sich einer wahrhaftigen Kulisse bediente. Auch als er Mondkind zum ersten Mal begegnet war, hatte sie die Aura eines Trau m bilds gehabt. Eine Erscheinung, so flüchtig wie Morgentau.
    » Ich will nur bei dir sei n «, sagte er.
    » Und
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