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Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)

Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)

Titel: Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
Autoren: Tanja Frei
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fortgezogen, weg aus der Provinz, die ihm so eng und beschränkt erschien. Der Zufall wollte es, dass er der Gehilfe eines nach Paris reisenden Geistlichen wurde.
    Dass er sich drei Jahre später im Auge des Sturms wiederfin den würde, hatte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht aus gemalt. Lagardère fehlten die Skrupellosigkeit und der Machthunger, die die Prinzessin auszeichneten. Sie war unerbittlich und grausam, doch gleichzeitig besaß sie Ehrgefühl, das musste er anerkennen. Manchmal mochte er sie sogar, und das erschreckte ihn.
    Sophies Gesicht schob sich vor seine Gedanken. Nur zu bald würde sie die Frau eines anderen sein. Um mit Sophie durchzubrennen, hatte er schlicht und einfach weder Geld noch genügend Mut. Marie würde sie nie gehen lassen. Doch dass Guy de l’Arronge sie sehen sollte, wie Antoine sie gesehen hatte … Bei diesem Gedanken wurde ihm fast schlecht. L’Arronge war dreißig Jahre älter als sie, in betrunkenem Zustand oft gewalttätig und zudem hässlich wie die Nacht – mit anderen Worten: Der Letzte, den er sich für seine Geliebte wünschte.
    Aber wahrscheinlich waren seine Gedanken müßig. Entweder ihr neuester Plan würde funktionieren, oder er würde sie alle aufs Schafott bringen. Vielleicht nicht den Bruder des Königs, aber alle anderen.
    Antoine Lagardère inklusive.
    Eine Woche später fiel der Herbst mit aller Macht in Paris ein. Tagelang stürmte es ununterbrochen, Wind und Regen fegten über das Land, das Vieh drängte sich auf den Weiden zusammen, um sich vor dem schneidenden Westwind zu schützen.
    Marie de Bourbon hatte ein vorzügliches Abendessen genossen, sich angeregt mit ihren Hofdamen unterhalten und dann die Tafel aufgehoben. Dennoch kamen ihre Gedanken heute Abend nicht zur Ruhe, sie ging in ihrem Salon auf und ab und dachte nach. Der Wind heulte um das Schloss, und die großen Fensterläden klapperten gegen die Fassade. Sophie saß auf einem Sofa, stickte im Kerzenlicht und war ebenfalls in Gedanken versunken, als es plötzlich klopfte.
    Ein offensichtlich aufgebrachter Antoine Lagardère stürmte ins Zimmer. Sein wehender Umhang fegte zwei Gläser vom Tisch und stieß eine Karaffe Wein um, deren Inhalt mit leisem Glucksen im Teppich versickerte.
    Der Sekretär würdigte die zerbrochenen Gläser keines Blickes. »Verzeiht, Prinzessin«, keuchte er und baute sich vor Marie auf, die ihn stirnrunzelnd ansah. »Ich komme, um Euch zu warnen. Chalais und seine Gesellen sind auf dem Weg in die Rue St. Roche. Sie planen, den Kardinal zu töten!«
    »Was redest du da, Antoine?«, fragte Sophie verblüfft und ließ das Stickzeug sinken.
    Marie sah den alarmierten Blick, den Lagardère seiner Geliebten zuwarf. »Unser kleiner Freund, der Astronom, wurde gestern in der Seine treibend gefunden … Und wir wissen alle, wenn Seine Eminenz nicht mehr unter uns weilt, gibt es niemanden mehr, der den König schützt. Doch Prinzessin, die Hinweise werden in Eure Richtung deuten. Ihr müsst Chalais aufhalten!«
    Marie hatte dem Ausbruch ungerührt zugehört. »Setzt Euch«, sagte sie kühl. »Ich werde nichts dergleichen tun. Der verdammte Kardinal hat meinen Astronomen umbringen lassen – dafür wird er zahlen!«
    »Aber Majestät!«, protestierte Lagardère.
    »Nein.« Marie klang schroff. »Es reicht. Heute Abend werden sich die Sterne in meine Richtung neigen. Und jetzt geht. Diese Entscheidung ist allein meine.« Sie funkelte ihren Sekretär an. »Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    Lagardère nickte ergeben. Er ergriff Sophies Hand, zog sie hoch und verließ gemeinsam mit ihr den Salon. Hand in Hand gingen sie durch die Gänge zu Sophies Zimmer, das sie sich mit zwei anderen Hofdamen teilte. Der Gang wurde durch ein Fenster erhellt, durch das der Mond hereinschien. Wolkenfetzen jagten über den Himmel, für Sekunden legte der Mond immer wieder einen silbernen Glanz auf Sophies Gesicht. Lagardère nahm sie in seine Arme und küsste sie, leidenschaftlich und mit dem Beigeschmack der Verzweiflung. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Haar und wünschte sich weit, weit fort.
    Sophie strich ihm übers Gesicht. »Was wirst du tun, Antoine?«, fragte sie leise.
    Lagardère schüttelte den Kopf und küsste sie erneut. »Frag nicht. Wir sehen uns morgen, Sophie.«
    Er verschwand mit wehendem Mantel um die Ecke.
    Sophie schluckte. Es hatte wie ein Abschied geklungen.
    Sie hatte den Gedanken kaum gedacht, da presste ihr jemand von hinten eine Hand auf den Mund, zischte ein
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