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Das wilde Leben

Das wilde Leben

Titel: Das wilde Leben
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Hausherrn, schleppte die Zuckersäcke und füllte das fertige Kaffeegemisch mit einer gelben Kinderschaufel ab. Die Unternehmer luden sie zur Mittagsjause ein, die illegalen Alchimisten selbst outeten sich als Vegetarier, aßen ausschließlich Salat und brauten sich bombenstarken Tee. Kaffee tranken sie nicht, vielleicht weil sie wußten, wie schwer er herzustellen ist. Am Abend riß sich der befriedigte Gabriel zusammen, und sie fuhren zurück. Auf dem Weg gelang es ihnen, sämtlichen Fallen und Gefahren auszuweichen.
    Daheim angekommen, trafen sie in der Bar die Moldawier und setzten sich zu ihnen. Die Moldawier hatten ihre Knete gekriegt und kauften nun im Freudenrausch alles, was nur irgend trinkbar war. Später legten sie sich mit den Einheimischen an, warfen sie hinaus auf die Straße, zusammen mit den Stühlen. Im Kampfesgetümmel zog einer der Einheimischen Vjetal eine Weinflasche über den Schädel, Vjetal kollerte die Straße runter, kroch dann in die Bar zurück, versteckte sich unter der Bank und verband die Wunde mehr schlecht als recht mit einem Iggy-Pop-T-Shirt. Etwas später kam eine Streife und suchte Übeltäter. Zog unter
der Bank den verwundeten Vjetal hervor. Nachdem sie ihm erste medizinische Hilfe und eins auf die Nieren verpaßt hatten, spuckte Vjetal alles aus. Die Sergeanten schoben ihn in den Wagen und fuhren zu den angegebenen Adressen, um nach anderen Helden dieser verzwickten Geschichte zu suchen.
    5
    Am nächsten Morgen war alles seltsam und leicht, die Ängste und die Müdigkeit der Nacht waren verschwunden, Bodja ging zur Anlegestelle und zählte die Schiffe, die aus Sewastopol kamen. Alles, was mit ihm passiert war, was er jetzt fühlte, was ihm noch bevorstand unter diesem sonnigen kalten Himmel, kam ihm seltsam unwahrscheinlich vor, etwas, woran er glauben und worauf er nicht verzichten wollte. Mutigen Männern steht ein langes Leben bevor, fröhliche Frauen und ein leichter Kater. Besonders wenn du keine Angst hast, in diese gespenstische und wunderschöne Welt einzutauchen, die auf dich wartet mit unzähligen Prüfungen und Preisen. Und wenn du alle Hindernisse überwindest und alle Prüfungen bestehst, öffnet sie dir ihre Tore und händigt dir den Seemannspaß aus, mit dem du an jeder Station aussteigen und jede Grenze passieren kannst. Die Welt glitzert vor Sonne und Meer, knallt fröhlich wie ein Feuerwerkskörper und beleuchtet den Himmel mit goldenen und roten Flammen, und du bist der echte Abschaum dieser Welt, ein fröhlicher Hurensohn mit Seemannspaß in der Tasche, und das ganze Leben liegt vor dir, du kannst durch lärmende laue Krimstädtchen ziehen, in Motels und Kaschemmen absteigen, illegale Geschäfte ma
chen, traurige erwachsene Frauen verführen, die dir unglaublich süße Dinge beibringen, kannst das Meer überqueren, in fernen fremden Häfen an Land gehen, die besten Anzüge tragen, mit den schönsten Mädchen tanzen, brauchst vor dem Alter keine Angst haben, der Kindheit nicht nachtrauern und wirst echte zuverlässige Freunde haben, um dich vor ihnen mit alldem zu brüsten. Bodja fühlte sich beschissen wegen Vjetal, das nächtliche Geheule, das betrunkene Gejammer, seine ganze kindische Ratlosigkeit hatte er ihm längst und endgültig verziehen – Freunde sollen ja zusammenhalten, Bodja fühlte sich jetzt verantwortlich für seinen Freund, er spürte sogar eine gewisse Besorgnis und leichte Verachtung, vor allem aber wollte er ihm schnell alles, was er erlebt hatte, erzählen!
    Abends hielt er es nicht mehr aus und ging heim, vor dem Haus sah er die Miliz, er trat sofort in den Schatten zurück, aber es war schon zu spät – einer der Sergeanten hatte ihn bemerkt und rannte ihm hinterher, Bodja sprang über einen Zaun, rannte über einen fremden Hof, torkelte auf die Parallelstraße und kollerte eine Treppe hinunter, unten lief er einen Häuserblock entlang, bog um die Ecke, rannte an Kiosks vorbei, noch eine Treppe hinunter, sprang über noch einen Zaun und befand sich plötzlich auf dem Gelände des Sanatoriums des Verteidigungsministeriums. Er passierte das Verwaltungsgebäude, ging hinter den Palmen in Deckung, schlug einen Bogen um den Speisesaal und betrat das Kino. Im dunklen Saal saßen ein paar ältere Männer und schauten einen alten sowjetischen Film. Bodja setzte sich in die erste Reihe. Einige Minuten später schauten zwei Sergeanten herein, gingen gebückt, um die Zuschauer nicht zu stören, zu Bodja und wollten ihn schon abführen,
aber er
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