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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)
Autoren: Elizabeth Gilbert
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umgeben sind, die zwar verstorben sind, aber dennoch Einfluss auf unser Leben ausüben und uns niemals verlassen.«
    »Was für eine schöne Vorstellung«, sagte Alma und tätschelte ihm weiter die Hand.
    »Haben Sie je einer Séance beigewohnt, Miss Whittaker? Ich könnte Sie einmal mitnehmen. Dort könnten Sie mit Ihrem Mann sprechen, über alle Grenzen hinweg.«
    Alma erwog sein Angebot. Sie dachte an jene Nacht mit Ambrose in der Bindekammer zurück, als sie über ihre Handflächen zueinander gesprochen hatten: ihre einzige Erfahrung mit dem Mystischen und Unerklärlichen. Bis heute wusste sie nicht, was das eigentlich gewesen war. Bis heute vermochte sie nicht zu sagen, ob sie sich das alles in einem Anfall von Liebe und Verlangen nur eingebildet hatte. Manchmal stellte sie sich aber auch die Frage, ob Ambrose nicht wahrhaftig ein Zauberwesen war – eine ganz spezielle evolutionäre Abwandlung vielleicht, die einfach nur unter den falschen Bedingungen oder zum falschen historischen Zeitpunkt entstanden war. Womöglich würde es jemanden wie ihn nie wieder geben. Womöglich stellte er ein gescheitertes Experiment dar.
    Doch was er auch gewesen sein mochte, die Sache war nicht gut ausgegangen.
    »Mr Wallace«, gab sie zur Antwort, »es ist sehr freundlich von Ihnen, mich zu einer Séance einzuladen, das muss ich sagen, doch ich glaube, ich werde das nicht tun. Ich habe ein wenig Erfahrung mit der stummen Verständigung und weiß daher eines: Die Tatsache, dass Menschen einander über alle Grenzen hinweg hören können, heißt noch lange nicht, dass sie einander auch verstehen .«
    Wallace lachte. »Nun, falls Sie Ihre Ansicht noch einmal ändern sollten, lassen Sie mir doch bitte eine Nachricht zukommen.«
    »Das werde ich tun, seien Sie gewiss. Dennoch ist es um einiges wahrscheinlicher, dass Sie, Mr Wallace, mir während einer Ihrer spiritistischen Sitzungen eine Nachricht zukommen lassen werden, wenn ich einmal tot bin! Sie werden nicht lange auf diese Gelegenheit warten müssen, denn ich bin gewiss nicht mehr allzu lange hier.«
    »Sie werden auf ewig hier sein. Der Geist bewohnt den Körper nur eine Zeitlang, Miss Whittaker. Der Tod löst diese Zweiheit einfach auf.«
    »Ich danke Ihnen, Mr Wallace. Sie sagen so reizende Dinge. Aber Sie brauchen mich nicht zu trösten. Ich bin schon zu alt, um die großen Veränderungen des Lebens noch zu fürchten.«
    »Tatsächlich, Miss Whittaker – da sitze ich hier, schwadroniere über meine Theorien und halte nicht einen Moment inne, um Sie als kluge und erfahrene Frau zu fragen, was Sie denn glauben?«
    »Was ich glaube, ist vermutlich längst nicht so fesselnd wie das, was Sie glauben.«
    »Nichtsdestotrotz würde ich es gerne hören.«
    Alma seufzte. Das war eine schwerwiegende Frage. Was glaubte sie denn eigentlich?
    »Ich glaube, dass wir alle vergänglich sind«, setzte sie an. Dann dachte sie ein Weilchen nach und fuhr fort: »Ich glaube, wir sind halb blind und stecken voller Irrtümer. Ich glaube, wir begreifen nur sehr wenig, und das meiste davon verstehen wir falsch. Wir werden das Leben nicht überleben – das wenigstens liegt ja auf der Hand! –, doch wenn man Glück hat, dann lässt es sich eine ganze Zeitlang aushalten. Und wenn man nicht nur Glück hat, sondern auch hartnäckig ist, lässt sich das Leben mitunter sogar genießen.«
    »Glauben Sie an ein Jenseits?«, fragte Wallace.
    Sie tätschelte ihm abermals die Hand. »Ach, Mr Wallace, ich gebe mir immer solche Mühe, nichts zu äußern, was andere Leute aufregen könnte.«
    Er lachte erneut. »Ich bin weit weniger feinfühlig, als Sie offenbar glauben, Miss Whittaker. Sie können mir ruhig sagen, was Sie denken.«
    »Nun, wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Ich glaube, dass die meisten Menschen nicht allzu widerstandsfähig sind. Ich glaube, es muss ein schrecklicher Schlag für die Menschheit und ihre Meinung von sich selbst gewesen sein, als Galileo verkündete, dass wir uns nicht im Zentrum des Universums befinden – so wie es ein schrecklicher Schlag für die Welt war, als Darwin uns verkündete, dass wir nicht in einem einzigen, wunderbaren Augenblick von Gott höchstpersönlich geschaffen wurden. Ich glaube, den meisten Menschen fällt es schwer, sich so etwas anzuhören. Ich glaube, sie fühlen sich dann unbedeutend. In diesem Zusammenhang frage ich mich übrigens, Mr Wallace, ob Ihre Sehnsucht nach einer Geisterwelt und einem Jenseits nicht auch nur ein Symptom des ständigen
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