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Das weisse Meer

Das weisse Meer

Titel: Das weisse Meer
Autoren: Stefanie Sourlier
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Wir mussten ab jetzt immer ruhig sein, so still, wie man gar nicht sein konnte, weil die Dielen knarrten, selbst wenn man auf Zehenspitzen darüberhuschte.
    Außerdem war Krieg. Im Dorf hatten sie die Fastnacht abgesagt deswegen. Der Krieg war zwar weit weg, aber trotzdem sahen wir ihn jeden Tag, da wir jetzt auch einen Fernseher hatten wie alle anderen. Einmal nach der Tagesschau, als eigentlich ein Krimi kommen sollte, den wir nicht sehen durften, wurde der Bildschirm einfach schwarz. Nicht etwa schwarz mit grünen Lichtern, die Bomben waren, sondern nur schwarz. Fünf Minuten lang. Wir starrten auf den schwarzen Bildschirm und vergaßen zu atmen. In diesen endlosen fünf Minuten dachten wir, dass er zu uns gekommen wäre, der Krieg. Doch dann kam Schnee, weißes Geriesel, und schließlich eine Moderatorin, die sich für die technische Panne entschuldigte.
    Wir mussten zur Schule gehen, erst Paul und ein Jahr später auch ich. Die Schule war noch viel schlimmer als der Kindergarten, und die Bauchschmerzen hörten kaum mehr auf, nur in den großen Ferien hatten wir eine Zeitlang Ruhe. Die Schule war weit von zu Hause, unten im Tal, und überall auf dem Schulweg lauerte die Gefahr. Im Winter war es am schlimmsten, die Fahräder versanken im Schnee, und man konnte nur hoffen, dass kein Schneepflug kam, dem man ausweichen musste, mit dem Fahrrad auf die meterhohe Schneemasse am Straßenrand klettern, oder dass einem keines von den größeren Kindern auflauerte.
    In den endlosen Wintern und kurzen Sommern wurde das Kind größer, begann weniger zu schreien und fing an zu reden. Aber es sprach nicht die Sprache der Eingeweihten. Wir waren uns nicht sicher, ob wir es wirklich gewollt hatten.
    An diesem Tag im Juli erinnerten wir uns an das Vorhaben, dem Kind den Mondsee zu zeigen. Das Wasser gefiel ihm sofort, es patschte mit seinen dicken Händchen auf die Oberfläche und lachte, wenn das Wasser aufspritzte. Der See war spiegelklar und glatt, und ich weiß nicht mehr, ob es Paul war oder ich, der auf die Idee kam, hinauszuschwimmen, zu den Schwänen und Enten, die wir weit draußen auf dem See erblickten.

Danksagung
    Ich danke dem Literarischen Colloquium Berlin, dem Berliner Senat und dem Kanton Zürich für die Unterstützung meiner Arbeit.
    Besonderer Dank an Susanne Kaelin für die Streichholzschachtelgeschichte und andere Geschichten und Gespräche; für Anmerkungen und Kritik danke ich Stefan Huber und Tilman.

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    © Frankfurter Verlagsanstalt GmbH
    Frankfurt am Main 2011
    Alle Rechte vorbehalten
    Herstellung und Schutzumschlaggestaltung: Laura J Gerlach
    unter Verwendung einer Fotografie von Fabienne Müller.
    Satz und eBook: psb, Berlin
    ISBN: 978-3-627-02172-6
    www.frankfurter-verlagsanstalt.de

Über die Autorin

    © Laura J Gerlach
    Stefanie Sourlier, geboren 1979 in Basel, lebt in Zürich. 2006 nahm sie an der Autorenwerkstatt des Literarischen Colloquiums Berlin teil, erhielt das Arbeitsstipendium des Berliner Senats 2007 und einen Werkbeitrag des Kantons Zürich 2008. Das weiße Meer ist ihre erste Buchveröffentlichung.
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