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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Autoren: Charles Bukowski
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Kopf wieder klar. Es waren acht oder neun Fotos aus verschiedenen Blickwinkeln. Und ein Brief. Er bestand aus ausgeschnittenen und aufs Papier geklebten Zeitungsbuchstaben.
    Verbrennen Sie die Fotos. Sofort. Und diesen Brief. Los.
    Ich ging zum Kamin, hielt das Zeug rein und zündete es mit meinem Feuerzeug an. Es stank beim Verbrennen. Die Fotos wahrscheinlich.
    Asche zu Asche.
    Er war tot.
    Ich ging ins Schlafzimmer und hockte mich auf die Bettkante.
    Das Telefon klingelte.
    »Hallo?«, sagte ich.
    »Haben Sie das Geld?«, kam es aus dem Hörer.
    »Ja. Wie soll ich es übergeben?«
    »Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf. Halten Sie einfach still, bis Sie von uns hören.«
    Er legte auf.
    Ich legte den Hörer wieder auf die Gabel und streckte mich auf dem Bett aus.
    Mich beschlich ein Gefühl, als wäre ich völlig mit Moos oder Schleim oder so etwas überzogen. Meine Zunge war trocken, und mir war unheimlich.
    Ich hätte es nicht tun sollen. Ich hätte damit leben können. Das hier war schlimmer für mich. Und ich würde nie erfahren, was es mit dem Anderen auf sich gehabt hatte, was dahintersteckte.
    Die Badezimmertür stand ein wenig offen, und im Bad brannte Licht. Dann sah ich es. Sah ich richtig? Es sah aus, als stünde ich da vor dem Spiegel.
    Ich sprang auf und lief ins Bad. Da war niemand. Da war gar nichts.
    Dann hörte ich es an der Wohnungstür klopfen. Ich drehte mich um und ging hin.

Grundausbildung
    An dem Text über die Sprache, den Du haben wolltest, hab ich mich mal versucht. Es passte gerade. Meine Frau hat Gäste unten. Die kommen schon klar, nehme ich an. Jedenfalls bin ich rauf und hab angefangen zu tippen. Schließlich bin ich ja Schriftsteller. Wenn ich schon trinke, dann lieber an der Maschine.
    – Buk

    Wie man schreibt, ergibt sich daraus, wo und wie man lebt. Ich war den größten Teil meines Lebens Penner und ungelernter Arbeiter. Die Gespräche, die ich mitbekam, waren nicht gerade gelehrt. Und meine Beziehungen zu den Spitzen der Gesellschaft hielten sich in Grenzen. Ich lag in der Gosse. Ich war ein bisschen verrückt, aber es war eine seltsame Verrücktheit, denn ich habe sie gepflegt. Ich ließ zu, dass mein Verstand im Kreis lief und sich selber in den Arsch biss. Ich gab meinem Affen Zucker, nährte meine Vorurteile. Einsamkeit war mein Trumpf. Ich brauchte sie, um meine Realität aufzuplustern. Nichtstun war mir wirklich wichtig; es war meine Droge. Für mich allein zu sein war mein Asyl. In einer Stadt fand ich einen verlassenen Friedhof, wo ich in den Mittagsstunden meinen Kater ausschlief. In einer anderen Stadt saß ich stundenlang an einem dreckigen, stinkenden Kanal, ohne auch nur nachzudenken. Ich brauchte Stunden, Tage, Wochen, Jahre für mich allein. Ich suchte mir kleine Zimmer, in denen ich hungerte. Ich verstand es, mit wenig Geld sehr lange auszukommen. Der Zeit opferte ich alles. Und dem Nichtdazugehören. Mein Essen bestand im Allgemeinen aus einem Schokoriegel täglich. Eine Flasche billiger Wein war das Teuerste, was ich mir leistete. Ich rauchte Selbstgedrehte und schrieb Hunderte Short Stories, die meisten in Tinte mit der Hand. Die Schreibmaschine war öfter beim Pfandleiher als bei mir. Um die Menschen zu studieren, pflanzte ich mich auf einen Barhocker und schnorrte Drinks. Mit einsdreiundachtzig brachte ich oft nur 65 Kilo auf die Waage, stockbesoffen. Ich war der original Dünne Mann mit der Meise unterm Pony.
    Unglücklich war ich nicht. Ich genoss förmlich meine Armut. Hungern ist nur in den ersten 2 oder 3 Tagen schwierig. Danach kommt man in einen merkwürdigen Rauschzustand. Treppen schwebt man hinunter; das Sonnenlicht wird sehr hell, Geräusche werden sehr laut. Die Wahrnehmung verschärft sich, statt nachzulassen. Feiertage und weltbewegende Ereignisse waren für mich ohne Bedeutung. Ich wusste zwar nicht genau, was ich wollte, war aber relativ gesund. Mit dem Alleinsein hatte ich kein Problem. Das Problematischste waren meine Zähne. Unerhörte Zahnschmerzen machten mir zu schaffen. Ich witschte den Wein im Mund herum und rotierte durchs Zimmer. Die Zähne lockerten sich, ich konnte mit den Fingern dran wackeln. Manchmal hatte ich dann einen Zahn in der Hand. Schon seltsam.
    In den Bibliotheken las ich (neben vielem anderen) die Literaturzeitschriften, und es verblüffte mich, was so als Edelschreiberei durchging. Farbloser Mischmasch unter glatter Oberfläche überwog. Es gab nichts Gewagtes, kein Licht, keinen Spaß. Ich las die
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