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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Autoren: Charles Bukowski
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bestimmten Tag. Wieder war es ein Mittwoch – nein, ein Donnerstag, und ich hatte ziemliches Glück auf der Bahn gehabt. Auf der Rückfahrt auf dem Freeway fiel mir ein Typ in einem neueren hellgrünen Wagen auf; er hing ziemlich dicht an mir dran. Ich sah ihn im Rückspiegel. Er hing mir fast an der Stoßstange. Ich trat aufs Gas, aber er zog mit und blieb mir auf der Pelle. Nun, die Leute treibt aller mögliche Hass; ihr Leben läuft nicht, wie sie’s gerne hätten, und der Freeway ist einer der Orte, wo sie ihrem Ärger Luft machen.
    Ich wechselte die Fahrspur, um mir den Kerl vom Hals zu schaffen, aber er kam prompt mit rüber und hing wieder hintendran. Ich hatte es mit einem echten Irren zu tun.
    Erneut wechselte ich die Spur, knipste mein Radio an und landete bei nichts Geringerem als Mahler. Das konnte die Wende sein. Ich sah in den Rückspiegel. Der Arsch war ausgeschert und hatte sich schon wieder an meine Stoßstange gehängt.
    Ich trat auf die Bremse. Er bremste auch. Ich spürte einen leichten Schlag gegen meine Stoßstange. Er hatte mich ganz leicht gerammt. Warmes Blut schoss mir in den Kopf – am Genick hoch und rings um die Ohren. Ich wurde sauer. Es muss einiges passieren, bis ich sauer werde, aber jetzt war es so weit. Ich hab’s nicht gern, wenn ich sauer werde, denn wenn ich erst mal sauer bin, hält das lange an. Mit anderen hatte ich nie viel am Hut, aber wenn sie mich in Ruhe lassen, lass ich sie auch in Ruhe. Jetzt wurde ich sauer.
    Ich sah in den rechten Seitenspiegel und den Rückspiegel, dann zog ich schnell rechts rüber. Ich brachte mich zwischen einen Pickup und einen Caddy. Jetzt hatte ich den Arsch vom Hals. Aber sauer war ich immer noch. Er fuhr ein Stück vor mir auf der linken Seite. Ich erkannte meine Chance, zog links rüber und hängte mich an seine Stoßstange. Jetzt hatte ich den Blödmann. Ich sah sein Kennzeichen: 6DVL666.
    Er schwenkte auf die Fahrspur zu meiner Rechten. Ich blieb an ihm dran.
    Dann schoss er die nächste Freewayausfahrt runter. Ich blieb wie angeleimt hinter ihm.
    Ich sah seine Augen in den Rückspiegel schauen. Erschrockene Augen. Mit Recht. Wenn ich sauer war, wurde ich zum wilden Tiger. Die Erfahrung hatten schon etliche Typen machen müssen.
    Er bog am Boulevard rechts ab, und ich folgte ihm, Stoßstange an Stoßstange. Er sauste auf eine Ampel zu; es waren keine Wagen vor ihm. Die Ampel sprang auf Rot, und er gab Gas. Ich mit ihm. Ein Typ auf der anderen Seite fuhr zu früh los. Sein Wagen hielt auf mich zu, als wir vorbeirasten. Er stieg auf die Bremse, erwischte meinen Wagen aber am Heck. Ich drehte mich halb um mich selbst, kam wieder auf Kurs, jagte meinem Freund nach. Der versuchte abzuhauen. Irgendwie hatte mein Wagen mehr Saft, und ich war wieder an seiner Stoßstange.
    Dem Dreckskerl würde ich bis in die Hölle nachfahren. Ich würde ihn dahin verfrachten. Ich hatte zu viele schlechte Ehen, zu viele schlechte Jobs, überhaupt zu viel Mist hinter mir, als dass ich mir von so einem was hätte bieten lassen.
    Die nächste Ampel war rot. Er hielt an und wartete. Meine Stoßstange hing auf seiner. Einen Moment lang dachte ich dran, aus dem Wagen zu springen und ihn mir vorzunehmen. Aber er hatte die Fenster oben und zweifellos die Tür verriegelt. Kam Zeit, kam Rat.
    Die Ampel sprang um, und ich folgte ihm. Er zog auf die Innenspur. Ich folgte ihm. Ich war wie der Tod. Sein Tod.
    Plötzlich schwenkte er auf eine Seitenstraße. Ich blieb direkt hinter ihm. Dann machte er einen Fehler: Er nahm eine Abzweigung von der Seitenstraße, und das war eine Sackgasse. Ich hatte ihn.
    Er hielt am Ladedock vor einem verrammelten Lagerhaus. Sein Wagen stieß mit der Schnauze an das Dock. Ich setzte mich hinter ihn und schob meine Stoßstange auf seine. Er war eingekeilt.
    Er blieb in seinem Wagen sitzen. Die Fenster waren immer noch zu. Er rührte sich nicht. Anscheinend hatte er kein Autotelefon, um Hilfe herbeizurufen.
    Ich saß da und überlegte, was tun.
    Ich konnte die Luft aus seinen verschissenen Reifen lassen. Ich konnte seinen Wagen demolieren – die Scheiben, die Karosserie. Aber ich wollte ihn. Ihn wollte ich auseinandernehmen.
    Im Radio lief immer noch Mahler. Wenn die Sinfonie vorbei war, würde ich aussteigen und etwas tun; ich hatte Zeit. Jede Menge Zeit. Daheim warteten keine heißen Miezen auf mich.
    Beide saßen wir da. Ich fragte mich, was in ihm vorging. Jagd auf eine Stoßstange machte er bestimmt nicht noch mal.
    Mahler lief
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