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Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Autoren: Charles Bukowski
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sich verständlich zu machen. Aber er kriegte seine Wette hin. Dann verlangte der müde weiße Kalifornier ein 2-Dollar-Platzticket auf den Favoriten. Wichser wie er blockieren tagtäglich die Schalter. Dann zog er ab. Ich war dran. Ich knallte einen Zwanziger hin.
    »ZWANZIG AUF SIEG FÜR DIE NEUN!«, brüllte ich.
    »Was?«, fragte der Wettannehmer.
    Das war Absicht. Er war ein Sadist. Jeder dritte Totalisatorangestellte war einer.
    »ZWANZIG AUF SIEG FÜR DIE NEUN!«
    Er fing an, das Ticket zu stanzen. Die Glocke ertönte, die Maschine klappte hoch, und die Pferde schossen los.
    Ich griff mir meinen Zwanziger und ging mir das Rennen ansehen. Ein Lauf über 1600 Meter. Bis ich das Feld in den Blick bekam, hatte die 9 anderthalb Längen Vorsprung vor dem Rest herausgelaufen, und er tat sich leicht. Am Einlaufbogen kam er auf drei Längen. Mitte der Geraden hatte er vier. Dann ließ er etwas nach. Vier oder fünf Pferde griffen an. Der Jockey ließ die Peitsche sprechen, und am Ziel hatte die 9 immer noch eine Länge gut.
    Ich holte mir einen Kaffee. Als ich wieder zu meinem Sitz kam, wurde die Quote angezeigt. Die 9 hatte $ 18.70 gezahlt. Dieser scheiß Sadist hatte mich um 167 Dollar gebracht.
    Ich blieb auf der Bahn. Lief herum und hielt nach dem Mann Ausschau. Er war nirgends zu sehen. Ich sah viele hässliche Figuren, ein paar Wichser, einen oder zwei Mörder, aber ihn sah ich nicht noch mal. Nach dem achten Rennen verließ ich die Bahn und fuhr heim …

    Ich stellte meinen Wagen ab und ging zu meiner Wohnung. Ich schloss die Tür auf und trat ein. Meine Freundin Carine war da. Die gute Carine mit den braunen Unschuldsaugen, der schmalen Hüfte und den strammen Waden. Sie saß auf der Couch und sah fern. Sie hatte einen Schlüssel für die Bude. Sie hob den Kopf.
    »Du wolltest doch Wodka kaufen. Wo ist der Wodka?«
    »Mensch, wovon redest du?«
    »Als du losgefahren bist, hast du gesagt, du kaufst Wodka.«
    »Losgefahren? Wo?«
    »Hier. Vor ungefähr zwanzig Minuten.«
    »Vor zwanzig Minuten war ich hier nicht. Ich war den ganzen Tag auf der Rennbahn.«
    »Soll das ein Witz sein?«, fragte Carine. »Hast du vergessen, wie phantastisch wir gevögelt haben?«
    »Gevögelt?«
    »Heute Nachmittag, Junge. Du warst gut, richtig gut mal zur Abwechslung.«
    Ich ging in die Küche und goss mir ein halbes Glas Whiskey ein, trank einen Schluck davon, machte eine Flasche Bier auf und nahm das Bier und den Whiskey mit raus. Ich setzte mich in einen Sessel gegenüber Carine.
    »Ich war also wirklich gut im Bett, ja?«
    »Und wie! Ich wusste gar nicht, was in dich gefahren war.«
    »Hör zu, Carine, sieh mich an. War ich so angezogen, als du mich zuletzt gesehen hast?«
    »Wenn du so fragst, nein … Als du los bist, um den Wodka zu besorgen, hattest du ein weißes Hemd, eine dunkelblaue Hose und schwarze Schuhe an. Jetzt trägst du ein gelbes Hemd, eine hellbraune Hose und braune Schuhe. Seltsam … Hast du dich irgendwo umgezogen?«
    »Nein.«
    »Sondern?«
    »Gar nichts hab ich gemacht. Der Typ, mit dem du im Bett warst, war nicht ich.«
    »Jetzt aber!« Carine lachte. »Wer soll das denn sonst gewesen sein?«
    »Weiß ich nicht.«
    Ich trank meinen Whiskey aus und nahm einen Schluck Bier.
    Carine stand auf. »Ich geh jetzt mal. Mir gefällt nicht, wie du drauf bist. Wenn du wieder zu dir kommst, ruf mich an.«
    »Okay, Carine.«
    Dann war sie zur Tür raus und weg.
    Vielleicht wurde ich ja wirklich verrückt. Aber ich hatte den Nachmittag auf der Rennbahn verbracht. Ich konnte nicht zu Hause gewesen sein. Hatte ich mich zweigeteilt? Konnte ich mich an zwei Orten gleichzeitig aufhalten? Mich aber nur an einen erinnern?
    Ich brauchte Hilfe. Aber ich wusste nicht, zu wem ich gehen sollte. Niemand würde mir glauben.
    Mir blieb nur die Küche, und da ging ich hin, um noch was zu trinken.
    Dabei fiel mir ein, was der Mann auf der Rennbahn angehabt hatte: weißes Hemd, dunkelblaue Hose, schwarze Schuhe …

    Mehrere Wochen vergingen ohne weiteren Zwischenfall. Ich traf mich sogar wieder mit Carine.
    Das Leben zog sich gewohnt trostlos und öde dahin. In Bezug auf die jüngste Vergangenheit nahm ich an, dass ich vorübergehend durchgeknallt war und mir alles nur eingebildet hatte. Ich trank und wettete verschärft, um mich so weit wie möglich vom Denken abzuhalten. Die beiden wichtigsten Dinge im Leben sind schließlich Schmerzverhütung und ein gesunder Schlaf. Hab ich recht?
    Alles schleppte sich voran bis zu einem
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