Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht
Autoren: Kristof Magnusson
Vom Netzwerk:
sofort nach Fertigstellung bekäme, um unter strengster Vertraulichkeit mit der Übersetzung beginnen zu können, noch bevor das Buch in Amerika auf den Markt gekommen war. So ein Star war Henry LaMarck.
    Paartherapeuten betonen oft, wie wichtig ein gemeinsames Hobby für die Beziehung sei. Eine Sportart, ein Garten oder Kinder; ein Hobby, das bleibt, wenn die Liebe gegangen ist. Auch Arthur und ich hatten etwas, das wir gern gemeinsam taten: Wir rauchten.
    Dann war am ersten Januar nach jenem Weihnachtsfest das Nichtrauchergesetz in Kraft getreten. Arthur und ich hatten mit Gösta und Regine, Sabine und Lars im Schneeweiß gesessen, unserem damaligen Stammrestaurant, in dem man in einem minimalistisch eingerichteten, von indirektem Licht beleuchteten Raum deutsche Hausmannskost auf viereckigen Tellern servierte. Ich hatte am Schneeweiß gemocht, dass Regine und Sabine nichts dagegen tun konnten, wenn ich in ihrer Gegenwart rauchte. Nach dem Inkrafttreten des Nichtrauchergesetzes schien es mir, als sei das Schneeweiß renoviert worden. Alles wirkte merkwürdig klar, es roch nach nassem Hund, Parfüm und Rindsroulade, und mir wurde bewusst, dass ich diesen Laden eigentlich überhaupt nicht ausstehen konnte. Die Wirklichkeit war mir auf den Pelz gerückt. So radikal konnten sich Dinge also verändern, dachte ich, als ich rauchend vor der Tür des Schneeweiß stand, an diesem ersten Januar, an dem noch der Qualm der Silvesternacht hing. Durch das Fenster sah ich Arthur, der sich mit Gösta unterhielt und Zimtkaugummi kaute. An diesem Morgen hatte er das Rauchen aufgegeben. Wir hatten uns weiterhin nichts zu sagen, und ohne die gemeinsamen Zigaretten war aus dem Zusammen-schweigend-Rauchen ein Sich-Anschweigen geworden. Da war mir klar geworden, dass ich nicht mehr hinein wollte, in dieses Restaurant, in dieses Leben. Ich war draußen.
    Als Arthur wenig später zu einer Ausstellungseröffnung nach München gefahren war, machte ich alles ganz automatisch, so wie es einem Mann gehen muss, der seine Frau regelmäßig mit Prostituierten betrügt, schaltete ohne nachzudenken - mit schlechtem Gewissen, aber ohne den leisesten Zweifel - den Computer an und sah mich im Internet nach bezugsfertigen Wohnungen um. Alles kam in Frage, nur eines nicht: hierbleiben. Nicht in dieser Stadt bei diesen Leuten, die nicht meine Freunde waren, sondern ich ihr Publikum, das ihnen bei ihrem gelungenen Leben zusah.
    Dann fand ich dieses Haus, mit großem Grundstück und trotzdem sehr billig. Eigentlich wollte ich es nur mieten, doch der Vorbesitzer meinte, es sei kein Problem, wenn ich seine Hypothek bei der Hypothekenbank HomeStar übernahm. HomeStar sei eine modeme Bank aus England, nun auch in Deutschland präsent, die kaum Anforderungen an die Bonität ihrer Kunden stelle, »nicht so pingelig wie die Sparkassen«, hatte er gesagt. Die Küche würde er mir auch überlassen, den Fernseher mit Satellitenfernsehen und das Bett im Schlafzimmer. Ein Ehebett.
    Wenige Tage später war ich eingezogen. Ich konnte zwar kaum etwas anzahlen, aber bald kam ja das Honorar für die Übersetzung von Henry LaMarcks neuem Roman.
    Nun saß ich hier, trug zwei Jeans übereinander, drei Paar Socken und hatte eine Strickjacke über den Wollpullover gezogen, sodass ich aussah wie eine Figur aus South Park. Ich saß hier, auf dem Land, allein und mit einem Beruf, der etwas mit Büchern zu tun hatte, und erinnerte mich daran, wie Regine das genannt hatte: »literaturverrückt.«
    Wippsäge hieß das Ding; ein rotes Gestell mit einem Sägeblatt in Pizzagröße, das sich, sobald ich den Hauptschalter umgelegt hatte, in Bewegung setzte, immer schneller wurde, schneller, bis ich das Gefühl bekam, es würde gleich aus der Verankerung und direkt in meine Brust geschleudert. Nachdem das nicht passiert war, fand ich die Wippsäge fast niedlich, wie sie da so eilig vor sich hinwirbelte. Ihr leises Sausen legte sich über die saudumme Stille. Ich konnte das. Egal, was sie dachten. Arthur. Gösta, Sabine, Regine, Lars. Ich legte ein Holzscheit auf die Lagerung, kippte sie nur ein wenig nach oben, und die Säge kreischte, Späne flogen. Lars, Sabine, Regine, Gösta. Arthur. Die Säge fraß sich in das Holz hinein, schnell und mühelos. Lärm, Lärm, Lärm! Im Nu hatte ich alles Holz zersägt und legte das erste Scheit auf den Hauklotz. Dann griff ich zur Axt, die viel leichter schien als beim letzten Mal. Am Schaft ein gelber Aufkleber: Selbst ist der Mann. Praxis Test-
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher