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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug
Autoren: Sheri S. Tepper
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von den Festivalhallen entfernt worden, Wimpel flatterten bereits im Wind, und unter den Hufschlägen der Pferde dröhnte die hölzerne Brücke wie eine große Trommel. Wir bemerkten ein Dreigespann, das mit viel Bravura Einzug hielt, einen großen Mann mit dem Helm eines Dämons in der Mitte, flankiert von zwei Tragamoren. »Sieh mal, dort«, sagte Yarrel. »Diese drei kommen aus Bannerwell, woher auch dein spezieller Freund Mandor stammt. Ich erkenne es an den Pferden.« Yarrel war ein Sendling, Sohn eines Hufschmieds, und mochte Pferde mehr als das Spiel. Er mochte auch mich, doch das hielt ihn nicht davon ab, mich wegen Mandor aufzuziehen. Ich nahm insgeheim an, daß Yarrel keine weiteren zehn Jahre in der Schulstadt verbringen würde. Er würde sich aufmachen, seine Familie auf dem Land suchen, und sich für die Pferde entscheiden.
    Ich fragte ihn, woher er wußte, daß Mandor aus Bannerwell stamme, aber er konnte sich nicht erinnern. Vermutlich hatte er es irgendwo aufgeschnappt.
    Nitch brachte die Jacke am Abend zurück, mit leichtem Naserümpfen, um sein Mißfallen an Jungen im allgemeinen auszudrücken. Die Jacke fühlte sich seltsam steif an, als ich sie anzog, und mein fragender Blick veranlaßte Nitch dazu, noch lauter zu schnüffeln. »Der Stoff taugte nicht mehr viel, Schüler. Nur Flocken und hetzen. Ich habe etwas neue Wattierung eingenäht, nachdem die Säume offen waren. Du brauchst mir nicht zu danken. Ich konnte es nicht mit meinem Pflichtgefühl Mertynhaus gegenüber vereinbaren, dich so herumlaufen zu lassen.« Und er zog, nachdem er so zum ersten und letzten Mal im Leben das Wort an mich gerichtet hatte, naserümpfend von dannen.
     
    Am nächsten Morgen freute ich mich über die neue Wattierung, denn wir zogen unsere Festivalkleidung und die Masken bereits an, als es noch kühl war. Yarrel glättete meine Bänder und sagte, wie herrlich die Farben ineinanderflössen. Alle Glöckchen waren angenäht, die Masken fertig, und kaum hatte der Tag begonnen, rannten wir los, unsere Füße ein neuer Trommelwirbel auf der alten Brücke. Yarrel hatte grüne Bänder, daran konnte ich ihn im Getümmel erkennen. Alle Turmjungen trugen Bänder und Glöckchen, die verkündeten: ›Ein Schüler kommt, ein Schüler kommt, tragt ihm nichts nach, er ist noch jung …‹ So konnten wir uns, ohne daß es uns einer übelnahm, stehlend und possentreibend während des Festivals vergnügen, obwohl die Lehrer sagten, wir sollten es in Maßen treiben.
    Was wir auch taten. Wir waren unmäßig mäßig. Stahlen Schweinefleisch aus den Markständen, klauten Bier aus den Buden und tranken davon, bis uns fast schlecht wurde. Wie Drachenschwänze wanden sich Schlangen ausgelassener Festivalbesucher durch die Straßen, verloren jemanden, erhielten wieder Zuwachs, tanzten zu der Musik, die laut an jeder Straßenecke erklang, Trommeln, Hörner, Lauten und Pfeifen, den Hügel hinauf und hinab. Schulmädchen waren da, Mädchen aus der Stadt und von DRAUSSEN, die man necken und verfolgen oder in irgendwelche heimlichen Ecken zu drücken versuchen konnte, und am späten Nachmittag verschwanden Yarrel und eines der Mädchen in einem Stall, um Pferde anzuschauen, und blieben so lange fort, daß ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte, was es wohl geben mochte, das soviel Zeit in Anspruch nahm. Ich machte es mir auf trockenem Stroh bequem, grinste breit in die Gegend, nippte an meinem Bier und beobachtete, wie die Sonne hinter der Stadt unterging und die ersten Feuerwerkskörper am Nachthimmel explodierten.
    Die Gestalt, die plötzlich aus der Dunkelheit auftauchte, war mir völlig fremd, aber die Stimme klang erschreckend vertraut. »Peter, da bist du ja! Habe ich dich in dem Trubel doch noch gefunden! Komm mit mir, ich will dir zeigen, wie Festivalessen wirklich schmeckt!«
     
    Im ersten Moment hätte ich fast gesagt, daß ich lieber auf Yarrel warten, im Stroh liegenbleiben und den Himmel betrachten wollte, aber dann siegte die Gewohnheit, dieser Stimme zu gehorchen. Ich stolperte auf die Füße, fühlte mich schäbig und unbeholfen neben dieser glitzernden Gestalt mit dem Prinzenhelm und der mit Juwelen und Goldplättchen geschmückten Maske. Wir gingen den Hang hinauf zu einer beleuchteten Terrasse, wo gedeckte Tische warteten, umgeben von stufenförmigen Gärten mit glitzernden Springbrunnen, deren Grün mit dem nächtlichen Schatten verschmolz. Dort gab es Wein, der einen schwindlig machte, Fleisch, vor dem der Schweinebraten
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