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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug
Autoren: Sheri S. Tepper
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enttäuschter Wut zu hören war: »Talisman … auf Königsblut Vier.«
    Peter, der Beobachter, sah den furchtbaren Schlag, mit dem sich die Macht des Magiers entlud. Peter, der Betrunkene, schrie, als er zu Boden stürzte: »Nein! Nein, Mandor … Du kannst mich doch nicht so hintergangen haben … mich so …« Bis es um ihn herum schwarz wurde.
     
    Ich erwachte in einem Turmzimmer, in einem fremden Raum, durch dessen schmale Fenster ich Wolken an einem grauen Himmel dahintreiben sah. Es schmerzte mich, den Kopf zu bewegen. Bruder Chance saß dösend an meinem Bett, und meine Bewegung weckte ihn. Räuspernd und brummelnd kam er zu sich.
    »Geht’s einigermaßen? Nun ja, wenn nicht, hättest du kaum noch Gelegenheit, etwas dazu zu sagen. Du wüßtest nicht einmal, wieviel Glück du hattest.«
    »Ich bin nicht … gestorben? Ich sollte eigentlich tot sein.«
    »So ist es. Geopfert im Spiel, wie ein Bauer, tot wie eine Küchenmaus in den Fängen der Katze. Wärst du ohne auch – ohne das hier.« Er hob meine zerfetzte Jacke vom Fußboden auf und hielt sie so, daß ich sehen konnte, was die aufgeplatzten Nähte preisgaben – ein Maßwerk goldener Fäden und silberner Stränge, blinkende Funken winziger roter Edelsteine, hineingewoben in die Schulternähte. »Er bat Nitch, es in deine Jacke zu nähen. Für alle Fälle.«
    »Aber wie konnte er das wissen? Ich begreife nicht …«
    »Es ist auch schwer zu begreifen«, sagte Chance, »außer für jemanden, der schon oft mit Verrat zu tun hatte. Tja … Mertyn ist kein junger Bursche mehr, mein Junge. Er hat viel erlebt und noch viel mehr gelernt. Er betrachtete diese Bänder und wußte sofort Bescheid. Wären sie bloß einfach hübsch und bunt gewesen, hätte Mertyn erkannt, daß es sich um das Geschenk eines Freundes handelte. Ein Liebesbeweis, nichts weiter. Aber solche, wie du sie hattest? Prächtiger als alle anderen in der Stadt? Welchen Zweck sollte ein Geschenk wie dieses erfüllen?«
    »Ich dachte, er gäbe sie mir, damit er mich besser unter den anderen Maskierten herausfinden konnte.«
    »Dann hast du bereits, ohne es zu merken, eine Menge durchschaut, Junge.«
    »Hatte er da bereits vor, mich zu benutzen?« Ich schluckte den Schmerz hinunter, einen Klumpen Pein, der weher tat als das feurige Brennen unter den Verbänden, die mein Gesicht und die Arme bedeckten.
    Chance zuckte die Achseln und beugte sich vor, um mein Kopfkissen zu glätten. »Wißt ihr Schüler denn bereits immer, wie ihr spielen wollt, bevor ihr angefangen habt? Ihr stellt die Figuren auf, die alle glänzen, diejenigen, von denen ihr denkt, daß ihr sie benutzt, und diejenigen, die ihr als Reserve haben wollt. Vielleicht nahm er dich mit, damit du siehst, wie er gewinnt. Doch er war nicht stark genug, gegen den König zu gewinnen, und nicht tapfer genug, um das Spiel anzunehmen, wie es sich entwickelte. Deshalb warf er dich ins Spiel, wie man einem Fustigar einen Knochen hinwirft.«
    Ich glaube, ich begann zu weinen, denn Chance sagte nichts weiter. Dann schlief ich. Als ich wieder erwachte, war es Morgen, und Mertyn saß auf dem Stuhl neben meinem Bett.
    »Es tut mir leid, daß du verletzt worden bist, Peter«, sagte er. »Vielleicht wäre es dir lieber, tot zu sein, aber ich wette, übers Jahr denkst du anders. Hätte ich soviel Erfahrung mit Rückstrahlen und Abschirmung wie mit anderen Strategien, wären dir diese Wunden erspart geblieben.«
    Eine lange Zeit betrachtete ich ihn nur, das graue Haar, das ihm in einer wirren Locke über die Stirn fiel, die Linie seiner Wangen und die Kurve der Lippen, die meiner so ähnlich war. Nichts an ihm wirkte unfreundlich, und trotzdem war ich wütend auf ihn. Er hatte mir das Leben gerettet, und ich haßte ihn dafür. Der Ärger ebenso wie der Haß waren zwecklos und töricht. Da ich ihm seine Tat nicht mit Torheit vergelten wollte, konnte ich sie überhaupt nicht vergelten.
    Er starrte auf seine Schuhe. »Als du ins Spiel geworfen wurdest, schlug der Magier zu. Ein Imperativ. Ich konnte nichts dagegen tun. Der Schutzschild in deiner Jacke war nicht vollkommen. Es gab eine ziemliche Hitzewelle, und ein bißchen davon traf auch dich. Mandor bekam das meiste ab.«
    Ich konnte mich nicht beherrschen. »Der Prinz? Spielmeister Mandor …?«
    »Ich weiß es nicht. Seine Mitspieler trugen ihn fort. In Havadhaus weiß auch niemand etwas über ihn. Möglicherweise ist er im Spiel verbraucht worden. Er hat mich mehr als einmal herausgefordert, Peter, doch
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