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Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug

Titel: Das Wahre Spiel 01 - Der Königszug
Autoren: Sheri S. Tepper
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Löffels auf dem Steinboden, wohin sie mir im Schlaf entglitten waren. Bis auf eine schlanke Gestalt, die zwischen mir und dem Feuer stand, war der Raum leer. Es war Mandor, Spielmeister von Havadhaus, die Zähne aufblitzend im Feuerschein.
    »Na, Peter … zu müde, um fertig zu essen?«
    »Ich … ich dachte nicht, daß Ihr kommen würdet.«
    »Ach, ich habe mich nur einmal umgeschaut. Ich beobachte deinen Schlaf bereits eine halbe Stunde, nachdem ich einem etwas fetten Jungen geboten habe, dich in Ruhe zu lassen. Womit hast du dir seine Feindschaft zugezogen?«
    Ich glaube, ich wurde rot. Es war kein Thema, über das ich gern sprechen wollte. »Ooch … nichts Besonderes. Es gibt immer jemanden, den er auf dem Kieker hat. Meistens einen, der kleiner ist als er selbst, gewöhnlich ein Findling.«
    »Aha.« Er hatte verstanden. »Ein Flückelmann. Meinst du nicht auch?«
    Ich grinste leicht. Karl als Flückelmann, als kleiner Tyrann, eine unbedeutende Figur, kaum wichtiger als ein Bauer – welch wunderbare Rache! »Keiner hat ihn bis jetzt so genannt, Meister Mandor.«
    »Du brauchst nicht Meister zu mir zu sagen, Peter.«
    »Ich weiß.« Wieder genierte ich mich. Eigentlich hätte er etwas besser Bescheid wissen müssen. »Aber so brauche ich nichts weiter zu erklären.«
    »Befürchtest du, Erklärungen abgeben zu müssen?«
    »Ja. Falls mir jemand zuhört …«
    »Niemand hört dir zu. Wir sind allein. Wenn dir dieser Ort aber zu öffentlich ist, können wir auf mein Zimmer gehen.« Und er rauschte aus der Tür in Richtung des Tunnels, der zum Havadhaus führte, noch ehe ich antworten konnte. Natürlich folgte ich ihm, obwohl ich mir immer wieder geschworen hatte, es niemals wieder zu tun.
     
    Am nächsten Morgen wurde ich zu König Mertyn gerufen. Eigentlich überraschte mich das nicht, aber es versetzte mir doch einen kleinen Schreck. Ich hatte gewußt, daß mich irgend jemand eines Tages sehen oder uns belauschen würde, doch mit jedem Tag, der verging, hatte ich mich mehr in Sicherheit gewiegt, daß so etwas vielleicht doch nicht geschehen würde. Ich hatte nichts anderes getan, als viele der Jungen in den Schlafsälen tun, nichts anderes als das, was ich mit Karl nicht hatte tun wollen. Natürlich, es war verboten, aber viele Dinge sind verboten, und die Menschen tun sie trotzdem die ganze Zeit über, meist ohne viel zu überlegen.
    So war ich mir nicht ganz sicher, was ich zu erwarten hatte, als ich in seiner kalten Behausung vor dem Spielmeister stand, die Hände in den Ärmeln versteckt, und darauf wartete, daß er zu sprechen anfing. Ich war überrascht, wie freundlich er war.
    »Man behauptet, daß du viel Zeit mit Spielmeister Mandor von Havadhaus verbringst. Daß du zu ihm in sein Zimmer gehst und auch dort schläfst. Stimmt das?« Er war taktvoll, doch ich errötete trotzdem.
    »Ja, Spielmeister.«
    »Du weißt, daß das verboten ist.«
    »Spielmeister, er hat mir befohlen …«
    »Du weißt, daß er den Titel eines Prinzen trägt und befehlen kann, was ihm beliebt. Trotzdem bleibt es verboten.«
    Ich wurde wütend, denn das war ungerecht. »Ja. Er kann mir befehlen, was ihm beliebt. Und von mir wird erwartet, daß ich mich drehe und winde wie eine Taube, die versucht, einem Falken zu entfliehen. Von mir erwartet man, daß ich sein Mißfallen ertrage, und trotzdem kann er befehlen, was …«
    »Ei, ei! Und du hast dich wirklich gedreht und gewunden und mit allen Mitteln versucht, dich zu entziehen? Dich vielleicht in der Bücherei versteckt? Oder Hilfe beim Oberhaupt deines Hauses gesucht? Einen. Spielereid vor Zeugen geschworen? Du hast das alles getan?«
    Nein, das hatte ich nicht getan. Natürlich nicht. Wie sollte ich denn? Prinz Mandor war mein Freund, sogar mehr als das. Er kümmerte sich um mich. Er unterhielt sich mit mir über alles, über Dinge, die er keinem anderen erzählen konnte. Ich wußte alles über ihn – daß er das Wahre Spiel nie hatte verlassen wollen, um Lehrer in einer Schulstadt zu werden, daß er Havadhaus haßte, daß er ein eigenes Haus haben wollte. Daß er meine Freundschaft gesucht hatte, weil es niemanden, absolut niemanden in Havadhaus gab, der ihm etwas bedeutete. Das Schweigen zwischen Spielmeister Mertyn und mir wurde feindselig, aber ich war nicht in der Lage, es zu brechen. Schließlich sagte er: »Ich will sichergehen, daß du mich richtig verstehst, Peter. Du mußt dir gewahr sein über das, was du tust. Jede einzelne Entscheidung, die du triffst, kann dir
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