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Das Wahre Kreuz

Das Wahre Kreuz

Titel: Das Wahre Kreuz
Autoren: Joerg Kastner
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und sie dadurch von der Zuflucht fernhalten.«
    »Das übernehmen meine Krieger und ich«, schlug Murad vor. »Die Frankensoldaten sollen sehen, daß die Abnaa Al Salieb noch nicht besiegt sind!«
    Ourida warf ihm einen strengen, aber auch besorgten Blick zu. »Ihr dürft euer Leben nicht opfern! Die Letzten unseres Stammes brauchen dich und die anderen Krieger, Murad!« Ein grimmiger Ausdruck trat auf Murads Gesicht. »Diesmal überraschen wir sie und kämpfen nach unseren Regeln. Wir lassen es nicht zum offenen Gefecht kommen. Auf unseren Pferden sind wir schneller als die Fußsoldaten, und sie haben nur wenige Reiter. Die werden wir von den anderen fortlocken.
    Dann werden die Fußsoldaten anhalten und sich auf den Kampf vorbereiten, weil sie nicht wissen, daß wir so wenige sind. So solltest du, Hüterin des Kreuzes, mit deinen Begleitern genügend Zeit haben.«
    Der Plan wurde allseits befürwortet. Als Treffpunkt vereinbarten Ourida und Murad einen markanten Felsen südlich des Tempels, der Al-Himar – Esel – genannt wurde. Dorthin sollten alle so rasch wie möglich kommen. Der jüngste Beduinenkrieger erhielt den Auftrag, die Packpferde geradewegs zum Eselsfelsen zu bringen.
    Er sträubte sich erst, denn er wäre lieber mit in den Kampf gezogen, aber schließlich fügte er sich.
    Ourida, mein Onkel und ich blieben auf der Sanddüne zurück und beobachteten, wie die französischen Soldaten sich nicht eben schnell, aber beharrlich weiter in Richtung des Tempels bewegten. Murad und seine sieben Begleiter verschwanden hinter einer der sanft geschwungenen Dünen und tauchten einige Minuten später an Bonapartes rechter Flanke wieder auf. Die Zahl der französischen Soldaten betrug weit über tausend, vielleicht auch zweitausend. Es war ein atembe-raubender Anblick, als sich nur acht Beduinen ihnen entgegenwarfen.
    Die Abnaa Al Salieb stießen gellende Kriegsschreie aus, um die Aufmerksamkeit ihrer Feinde zu wecken.
    Durch das Fernrohr sah ich deutlich, wie Bonaparte sich im Sattel umdrehte und seinen Offizieren Befehle zurief. Hörner und Trommeln gaben die Alarmsignale weiter. Die Marschkolonne hielt an, und die Soldaten formierten sich zur Gegenwehr. Noch immer galoppierten Murad und seine Begleiter auf den Feind zu, und ich sah, wie besorgt Ourida das Schauspiel verfolgte.
    Würden die Krieger sich von ihrem Haß auf die Franzosen, die Schlächter ihres Stammes, überwältigen lassen und einen tödlichen Angriff reiten?
    Die Husaren auf der rechten Flanke, ungefähr fünfzehn Mann, hatten ihre Pferde herumgerissen und bereiteten sich auf einen Gegenangriff vor. Pfeile, von den Beduinen im Galopp abgeschossen, rissen zwei von ihnen aus dem Sattel. Jetzt drehten die Beduinen zu unserer Erleichterung nach links ab und ritten, von Husaren verfolgt, wieder in die Dünen hinein.
    »Es verläuft nach Plan!« rief ich freudig. »Wir sollten jetzt aufbrechen!«
    »Du hast recht«, sagte mein Onkel. »Bonaparte ist kein Dummkopf. Sobald er dahinterkommt, daß da nur eine Handvoll Reiter mit ihm ›Fang mich‹ spielt, wird er den Marsch zum Tempel fortsetzen.«
    Wir krochen zurück zu den Pferden, führten sie zur Sicherheit noch ein Stück die Düne hinunter und stiegen dann auf, um im Galopp zu dem Ort zu reiten, an dem das Wahre Kreuz versteckt war.

    Auf der letzten Erhebung vor dem Wüstentempel machten wir halt, um uns einen Eindruck von der Lage zu verschaffen.
    Ein seltsames Gefühl beschlich mich, als ich den Felsen mit dem Eingang zur Zuflucht der Abnaa Al Salieb erblickte, eine Mischung aus gespannter innerer Erwartung und Ungewißheit, ob wir das Richtige taten und ob wir mit heiler Haut davonkommen würden.
    Trotz der enormen Hitze, die der glühende Sonnenball über der Sahara verströmte, rieselte es mir kalt den Rücken hinunter. Ich dachte an die Legende vom Todesengel und fragte mich, was mit den Seelen aus dem goldenen Gefäß geschah, wenn sie ihren Auftrag erfüllt hatten. Blieben sie in dem Körper, in den Malaku’1-Maut sie gesandt hatte, und lebten fort? Oder rief er sie sogleich wieder zu sich? Ourida mußte meine Anspannung bemerkt haben. Sie faßte mich bei der Hand und lächelte mir aufmunternd zu. Ich bewunderte sie für die Ruhe, die sie ausstrahlte. Wieviel Kraft und Zuversicht sie hatte!
    Meine Anspannung ließ etwas nach, und ich empfand einen Hauch von Wehmut. Ich erinnerte mich, wie ich zum ersten Mal vor dem steinernen Untier, halb Löwe und halb Adler, gestanden und mich gefragt
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