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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
Autoren: Liane Sons
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letzten Mal darum, mir zu vertrauen.«
    Derea schüttelte bedächtig den Kopf, und sein Ausdruck war nahezu traurig. »Ich würde es wirklich gern tun, nur allzu gern, aber du verlangst Unmögliches. Schon Ligurius sprach davon, dass du die Welt vernichten würdest, dann auch Junas Großmutter. Ich habe weder ihnen noch meinem Zukunftstraum geglaubt, weil ich dich doch kannte oder zumindest zu kennen glaubte. Aber vor ein paar Tagen habe ich Marlena die Nachricht vom Tod ihrer Enkelin überbracht. Sie hat mir uralte Schriftstücke gegeben, die sie von Ayala bekommen und die Meister Cato übersetzt hatte. Damals, als die Quelle versiegelt wurde, verschwand das Gute für lange Zeit aus den Reichen. Habgier, Missgunst und Kälte breiteten sich aus wie eine Seuche – ansteckend und unaufhaltsam. Grausame Kriege überzogen das Land. Ganze Reiche gingen für immer verloren. Deine unsterbliche Mutter wurde zur Großkönigin gewählt, nicht weil man sie so schätzte oder bewunderte, sondern weil man sie fürchtete. Sie war mit ihrem Siegel und Kahandar schier unbesiegbar. Niemand konnte sich mit ihr messen. Auch diese gefürchteten Barbaren aus dem Osten gab es wirklich. Sie waren die unbarmherzige Garde deiner unsterblichen Mutter. Ihre Herrschaft war noch viel, viel schlimmer als die von Camora. Mit ihrem Namen verband man nur Blut, Leid und Tod. Sie war das Böse schlechthin.«
    Er musterte Rhonan von oben bis unten. »Sie ist fort, aber jetzt bist du hier: ihr Sohn … die Wiedergeburt des Bösen! Du trägst jetzt das Siegel und Kahandar und gleichgültig, ob erschöpft, verletzt, mit einem Zauber belegt oder alles zusammen – du gewinnst jeden Kampf. Und jetzt willst auch du wieder die Quelle versiegeln. Dann wird für lange Zeit erneut jedes Licht verschwinden. Das kann ich nicht zulassen. Ich liebe dich fast so sehr wie meinen Bruder, aber auch meinen Bruder würde ich töten, wenn er an deiner Stelle wäre.«
    Rhonan starrte auf seine Hände und nickte bedächtig. »Ich kann verstehen, dass du so denkst. Glaubst du aber auch ernsthaft, du könntest mich besiegen?«
    »Ich werde es jetzt zumindest versuchen müssen oder eben beim Versuch sterben. Weißt du, ich habe dich schon eine ganze Weile beobachtet und hätte dich leicht mit einem Pfeil töten können, da du seltsam geistesabwesend schienst. Ich hatte den Bogen schon angelegt zum tödlichen Schuss, aber ich stehe nach wie vor in deiner Schuld, weil du meinen Vater verschont hast.« Er zuckte fast verlegen die Schultern. »Außerdem hätte ich es ohnehin nicht tun können, weil du immer noch mein …« Er brach ab, schluckte sichtbar und fuhr schließlich fort: »Deshalb fordere ich dich jetzt zum Kampf auf Leben und Tod, so schwer es mir auch fällt.«
    Rhonan sah ihn längere Zeit traurig an, erhob sich endlich langsam, eher noch schwerfällig und nickte erneut. »Du warst ein guter Freund, Derea. Leb wohl!«
    Noch während er sprach, machte er einen langen Schritt und donnerte seinem Schwager die Faust ans Kinn. Mit einem Ton, der wie ein Seufzen klang, sackte der besinnungslos zusammen.
    »Es tut mir leid, aber diesen Kampf wird es nicht geben«, murmelte Rhonan und zog ihn in den Schatten. Er legte ihm Fesseln an, vergewisserte sich, dass der Hauptmann einigermaßen bequem lag, und machte sich auf den Weg. Wenn es überhaupt noch einer Begründung für sein Handeln bedurft hätte, wären es die Worte seines Schwagers gewesen.
    Langsam und mit schwerem Herzen ging er den Wolkenpfad hinauf, denn er ahnte, dass der Weg zur Höhle zwar kurz, dafür aber umso beschwerlicher sein würde.
    Kahandar glühte auch schon unvermittelt auf, und seine Zeichnungen fingen an zu brennen, kaum dass er die Überreste der Dämonenwächter erreicht hatte.
    Deutlich vernahm er Palemas Stimme: »Kehre um! Dieser Weg ist dir nicht bestimmt. Du setzt Kräfte frei, die niemand jemals mehr aufhalten könnte. Willst du die Welt vernichten?«
    »Genau das will ich nicht.«
    »Du hast mich belogen und betrogen. Hätte ich geahnt, was zu vorhast, hättest du die Wächter nie besiegen können.«
    »Glaubst du, das hätte ich nicht gewusst? Das war mir immer klar. Aber ich habe dich trotzdem nie belogen. Ich habe dir gesagt, dass ich zur Quelle will. Mit keinem Wort habe ich jemals erwähnt, zu welchem Zweck.«
    Ihr unheimliches Lachen hallte durch den Gang, ließ ihn frösteln und seinen Schritt beschleunigen. »Die Worte zu deinen Begleitern waren doch nur für mich bestimmt. Du hast
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