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Das vertauschte Gesicht

Das vertauschte Gesicht

Titel: Das vertauschte Gesicht
Autoren: Ake Edwardson
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Augen, etwas, das er noch nicht gesehen hatte: einen Glauben daran, dass es eine Zukunft für sie gab. Aber da war auch noch etwas anderes. Es zeigte sich wie eine andere Art Licht in ihren Augen, als würde die helle Beleuchtung im Treppenhaus ihren Hinterkopf durchleuchten und ihren Augen einen besonderen Glanz verleihen.
    Sie zog die Stiefel aus, und Schmutzwasser spritzte aufs Parkett. Winter sah es, sagte aber nichts. Angela folgte seinem Blick und hob die Hände über den Kopf.
    »Soll nicht wieder vorkommen«, sagte sie.
    »Was?«
    »Ich hab deinen Blick gesehen.«
    »Und?«
    »In dem Augenblick hast du gedacht, wie um alles in der Welt soll das gut gehen, was passiert mit meinem Fußboden, wenn sie einzieht.«
    »Ach was.«
    »Daran musst du arbeiten«, sagte sie.
    Er nahm ihre Hand, und sie gingen in die Küche. Es roch nach Kaffee und getoastetem Brot. Der Tisch war beladen mit Butter, Käse, Radieschen, grober Leberpastete, Cornichöns.
    »Hier soll's wohl ein Fest geben«, sagte sie. »Rustikal und einfach und dennoch elegant.« »Meinst du die Leberpastete?«
    »Die steht für das Rustikale. Jetzt kommt die Eleganz«, sagte Winter, ging zur Anrichte und holte eine Glasschüssel.
    »Was ist das?« Sie trat an den Tisch. »Ah. Eingelegter Hering. Wann hast du das denn noch geschafft? Du hast es doch selbst gemacht?«
    »Vorgestern Nacht. Kurz vor zwei. Und jetzt ist er perfekt.« »Jetzt ist er perfekt«, wiederholte sie. »Fehlt nur noch der Schnaps, aber wir trinken keinen, oder?«
    »Du kriegst keinen«, sagte er. »Ich könnte mir einen Schluck genehmigen, aber ich will solidarisch sein, wenigstens heute Abend.«
    »Es ist ja wohl ziemlich üblich, dass man mit seinen Frauen in dieser... Situation solidarisch ist.« »Ach?«
    »Manche Männer nehmen sogar aus Solidarität zu.« »Das kannst du von mir nicht erwarten.«
    Morelius fühlte sich steif. Die Steifheit hatte er von zu Hause mitgebracht, sie hatte auch nach dem Sport nicht nachgelassen, der den Abenddienst einleitete.
    Hinterher hatte er auf der Bank vor der Spindwand gesessen, seinen Nacken massiert und sich die Bilder der nackten Mädchen angeschaut, die an der Innentür von Bartrams Spind klebten. Es waren ziemlich harmlose Bilder, irgendeinem alten Journal aus den sechziger Jahren entnommen. Nichts für den heutigen Geschmack. Bartram hielt am Vergangenen fest. Manchmal behauptete er, die Bilder zeigten seine Frau, aber in Wirklichkeit hatte er gar keine.
    Es war die letzte Woche vom Sechs-Wochen-Dienstplan. Das bedeutete diesen Freitagabend einen Extradienst und zwei Abendschichten am Wochenende, die wie eine Drohung im Dunkeln lauerten. An diesem Wochenende war Zahltag gewesen. Er wusste, dass die Leute da draußen schon angefangen hatten, ihren Reichtum zu feiern. Es war fast Viertel nach acht, und das Bezirksrevier hatte für die Öffentlichkeit geschlossen.
    »Hast du Genickstarre?«, fragte Bartram, der an seiner Dienstwaffe herumfummelte. Er war ruhig und ernst, bereit für den Abend und das Wochenende.
    »Nur ein bisschen steif«, sagte Morelius.
    »Dann bleibst du heute Abend wohl am besten drinnen.«
    »Wieso?«
    »Du musst dich vor Luftzug in Acht nehmen. Und heute Abend wird's verdammt zugig in der Stadt.«
    »Ach was. Es wird wie üblich.«
    »Denk dran, es ist Zahltag gewesen, Simon.«
    Morelius und Bartram gingen die Avenyn entlang. Manche zogen es vor, allein zu gehen, dazu hatte Morelius früher auch gezählt, aber im letzten halben Jahr hatte sich das geändert. Die Einsamkeit war keine Freiheit mehr für ihn. Ein oder zwei Male hatte er Angst gehabt. Er hatte Dinge gesehen, die hatten ihn erschreckt.
    Einmal war er dem Tod im Gnistängstunnel begegnet, wo ein junges Paar im Auto direkt vor ihm gegen die Wand gerast war. Er hatte im Auto hinter ihnen gesessen und alles gesehen. Wie im Film. Wie in einem verdammten Film hatte er es gesehen. Es war wirklich gewesen und doch nicht wirklich. Der Mazda vor ihm war plötzlich nach links ausgeschert und mit einem unheimlichen Geräusch von zersplitterndem Glas und knautschendem Blech gegen die Wand gekracht. Er war nicht mal im Dienst gewesen, war nur so über die Schnellstraßen gefahren, wie er das manchmal machte, wenn er frei hatte. Er konnte gerade noch bremsen, war aus dem Auto gesprungen und zu dem Wrack gelaufen, wo das Mädchen... Ihr Kopf hing... Ihm war jäh schlecht geworden, genau vor ihr, wie ein gewöhnlicher... ein gewöhnlicher... und dann hatte er angerufen,
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