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Das vertauschte Gesicht

Das vertauschte Gesicht

Titel: Das vertauschte Gesicht
Autoren: Ake Edwardson
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Sofa war leer. Er schaute wieder, und dort saßen sie, einander zugewandt. Ihr Gesicht war so vertraut.
    Ihre Köpfe. Ihre KÖPFE.
    Er strich sich heftig über die Augen. Jetzt hörte er Geräusche von der Straße und öffnete die Autotür. Er spürte den Regen im Gesicht, als er ausstieg. Dann stand er vor dem Haus auf der Straße.
    Er wünschte sich zurück in der Zeit. Die Menschen, die auf der Straße unterwegs waren, wussten nichts, nicht das Geringste. Nichts. Sie wussten nicht, dass sie im Paradies lebten.

2
    Oktober
    Winter stand im Flur, ohne Licht anzumachen. In einer Stunde würde Angela kommen, vielleicht eher.
    Wie lange wohnte er hier schon? Zehn Jahre? Waren es zehn Jahre? So ungefähr. Wie viele Menschen hatte er während dieser Jahre in seine Wohnung gelassen? Er könnte die Hände ausstrecken und sie an den Fingern abzählen, das würde vermutlich reichen.
    Er ging in der Wohnung herum, die von der Straßenbeleuchtung erhellt wurde. Eine seiner letzten Wanderungen in angenehmer Einsamkeit. Er lächelte. Bald würde er im Vorraum durch Unterwäsche waten müssen. Ein Strumpf über der Sofalehne. Er kannte Angela. Du brauchst ein bisschen Unordnung in deinem Leben, hatte sie gesagt. Du bringst mir das Chaos, hatte er erwidert. Endlich, hatte sie geantwortet.
    Im Badezimmer würde er sein Rasierzeug im Regal beiseite schieben müssen. Vielleicht blieb ihm nur eine winzige Ecke neben all den geheimnisvollen Döschen und Tuben, die sie aufstellen würde.
    Wenn sie nun doch nein gesagt hätte, hatte er vor langer Zeit gedacht. Wenn sie genug gehabt hätte von mir.
    Unten auf dem Vasaplatsen kamen und fuhren die Straßenbahnen. Die Wand gegenüber den großen Fenstern im Wohnzimmer war weiß im Licht des Abends. In einer Ecke leuchtete der rote Punkt der Musikanlage. Winter ging hin und nahm die Springsteen-Box, die ihm sein Freund aus London, Kriminalkommissar Steve Macdonald, im letzten Herbst mit hohen Portokosten geschickt hatte. Das hatte er extra so gemacht, damit Winter immer daran dachte, wie viel die Fracht gekostet hatte und deshalb besonders andächtig zuhörte. Winter mochte am liebsten Jazz, und Steve Macdonald akzeptierte das, hatte sich aber in den Kopf gesetzt, Winter all das näher zu bringen, was er während seines beschützten Aufwachsens mit John Coltrane verpasst hatte.
    Das Merkwürdige war, dass er noch mehr Jazz hörte, seit er auch mit Rock angefangen hatte. Er hörte jetzt andere Nuancen bei Coltrane heraus, eine neue Schwärze. Zu seiner Verwunderung hatte er einige einfache Rocksongs gefunden, die ihm gefielen. Vielleicht war es das. Die Einfachheit.
    Wenn man älter wird, strebt man nach Einfachheit. Ich werde älter, sehr bald werde ich vierzig. Das ist, relativ gesehen, ein hohes Alter. Vielleicht bin ich kein einfacher Mensch, aber ich bin immer noch lernfähig. Vielleicht bin ich aber auch immer eine einfache Seele gewesen. Angela hat es erkannt. Deswegen hat sie mich unter Zehntausenden ausgewählt.
    Er legte die vierte Scheibe der Box in den CD-Player und drückte das zehnte Lied, sein Favorit des letzten Monats oder wenigstens seit die Entscheidung gefallen war. Die Entscheidung.
    I'm happy with you in my arms, I'm happy with you in my heart, happy when I taste your kiss, I'm happy in love like this. Das kleine Leben. Angela hatte es verstanden. Vielleicht würde er das Glück finden.
    Die Ballade füllte die Räume, als er sich auszog, happy baby, come the dark. Plötzlich dachte er an gar nichts mehr, als er sich unter die Dusche stellte. Er hörte die Musik durchs Wasserrauschen, jedoch auch das Klingeln an der Tür und Geklapper, als Angela die Tür mit ihrem eigenen Schlüssel öffnete.
    Lars Bergenhem fuhr über die Älvsborgsbrücke. Das Auto vibrierte im Wind. Er hatte frei, und im Tunnel hatte er sich gefragt, was er dort eigentlich zu suchen hatte. Im Tunnel. Im Auto. Er könnte zu Hause sitzen und seine zweijährige Tochter anschauen, während sie schlief. Das hatte er früher auch gemacht. Ada schlief, und er schaute sie an. Er könnte auch Martina zusehen, wie sie die Küche nach Adas Abendbrot schrubbte. Er könnte auch selber schrubben.
    Es hatte wie immer angefangen. Ein Wort zu viel, ein Streit, den keiner von beiden verstand. Als Ada endlich schlief, war es so still geworden, dass er keine Kraft hatte, zu Worten zurückzufinden, die nicht alles noch schlimmer machten. Er war Fahnder, aber hier saß er fest. Er war Detektiv, aber er war kein detective
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