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Das Versteck der Anakonda

Titel: Das Versteck der Anakonda
Autoren: Ralf Lilienthal
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richtete. Es sah so aus, als würde er irgendeinen unsichtbaren Geist um Beistand bitten.
    »Da! Gringo und Kinder-Mann.«
    Estéban wies über die beiden Jungen hinweg auf zwei im Fluss treibende Kugeln, die sich beim Näherkommenals die Köpfe der beiden Dschungelspezialisten erwiesen.

    »Hilfe, zu Hii…«, das letzte Wort ging im Gurgeln unter, als Johannes Cornelius Portländer der II.   Wasser schluckte.
    »Bleiben ruhig. Estéban lenkt Boot zu euch. Festhalten an Rand vom Holz!«
    »Was sagt die Rothaut?«, fragte der heftig im Wasser platschende Joe auf Deutsch den Mann, der von Estéban und Juanito › Wouf‹
     genannt wurde.
    »Wird sein Boot zu uns rübersteuern. Soll’n uns festklammern. Hoffe, der Trottel macht mal ’n bisschen schneller, hab keine
     Lust, von ’nem Kaiman oder ’ner Bande Piranhas angeknabbert zu werden.«
    Paul lief purpurrot an und blaffte diesen Wouf wütend an: »Soll ich dem › Trottel‹ sagen, er kann weiterfahren? Sie scheinen
     ja auf unsere Gesellschaft keinen großen Wert zu legen.«
    »O Mist, seit wann quatscht denn die Indianer-Mischpoke Deutsch?«
    »Das ist doch   … Mensch Wolf, das ist Paul, der Sohn von Dr.   Zernott!«
    ›Wouf‹ hieß also Wolf. Paul, der verfolgte, wie Estéban das Boot vorsichtig beidrehte, schüttelte den Kopf. Wollte Joe wirklich
     mit diesem stoppelbärtigen Ekel die Zehn-Meter-Schlange suchen?
    ›Hoffentlich kommst du wieder heil nach Hause!‹, dachte er bei sich, nachdem er Joe zusammen mit Juanito ins Boot gezogen
     hatte.
    Als die beiden Schiffbrüchigen schließlich nebeneinander in dem schmalen Indianerkanu hockten, steuerte Estéban das herrenlose
     Boot der beiden an.
    Während Wolf mürrisch schwieg, wirkte Joe geradezu munter und gut gelaunt.
    »Das nenne ich Glück, dass ihr gerade jetzt vorbeigekommen seid. Wir hatten gar keine Chance gegen die starke Strömung.«
    »Was ist denn eigentlich passiert?«
    »Weiß ich auch nicht richtig. Wolf muss amSteuerruder eingeschlafen sein. Er ist geradewegs in einen umgestürzten Baum gefahren, der gute zehn Meter weit ins Wasser
     ragt. Ich hab in dem Moment mit meinem Fernglas das Ufer abgesucht – Anakondaverstecke, verstehst du? Dann gab es einen mächtigen
     Rums. Mein Fernglas ist im hohen Bogen ins Wasser geflogen, ich bin hinterhergeplumpst und Wolf ist rückwärts ins Wasser gekippt.
     Mann, ich hatte vielleicht Schiss. Von wegen Piranhas und so!«
    Estéban und Juanito hatten gespannt zugehört und sahen jetzt Paul fragend an. Der übersetzte Joes Erzählung. Wolfs Gesicht
     wurde dabei noch eine Spur finsterer. Die beiden Indianer ersparten sich einen Kommentar. Stattdessen konzentrierten sie sich
     auf das Andockmanöver zum zweiten Boot, das sie inzwischen erreicht hatten.
    Wenig später zogen die beiden Männer dank ihres stärkeren Motors langsam davon.
    »Wir sehen uns im Camp Napo! Ich werd schon mal ’ne kalte Cola für dich bestellen!«, feixte Joe.
    Paul musste sich eingestehen, dass er anfing, den Chaoten irgendwie sympathisch zu finden.
    »Mach’s gut, Johannes Cornelius Portländer der II.   Und wenn ihr noch mal schwimmen gehen wollt,seht zu, dass euer Vergnügungsdampfer nicht so weit abtreibt!«
    Während einiger Minuten waren das Tuckern des Motors und ein gelegentlicher Tierschrei aus den Tiefen des Waldes die einzigen
     Geräusche, die an Pauls Ohr drangen.
    Schließlich war es Estéban, der das Schweigen brach.
    »Joe Kinder-Mann, aber Joe gut. Wouf nicht gut.«
    Paul war insgeheim froh, dass der Indianer ähnlich über den Anakondasucher dachte. Auch wenn er ihn offensichtlich für einen
     naiven Kindskopf hielt. Und was diesen Wolf betraf   … am liebsten hätte er Joe die Schlangenjagd an der Seite eines so zwielichtigen Typen ausgeredet.
    Die Fahrt von Puerto Misahuallì zum Camp Napo führte immer tiefer in den Dschungel hinein. Schon bald kam es Paul so vor,
     als säße er im Pelzmantel in einem Badezimmer, in dem jemand zu heiß geduscht hatte. Hemd und Hose klebten ihm am Leib, was
     nicht nur an den beiden heftigen Regengüssen lag, denen sie mitten auf dem Fluss schutzlos ausgeliefert gewesen waren.
    Trotz allem ließ sich Paul nicht die Laune verderben. Er, Paul Zernott, zehn Jahre alt, war imAmazonasdschungel – wie oft hatte er sich das gewünscht, während er atemlos den Reiseerzählungen seines Vaters gefolgt war.
     Sein Vater! Seit fast drei Monaten hatte er ihn nicht mehr gesehen – ein paar Stunden noch und sie würden
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