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Das Versprechen

Das Versprechen

Titel: Das Versprechen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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wieder zur Schwester und lieferte die Eier ab, getreu und brav, wie es seine Art war, und manchmal auch ein Kaninchen. Aber auf einmal ist er dann leider wieder erst nach Mitternacht heimgekommen; ich bin sofort in die Garage gegangen, ich habe es gleich geahnt, weil er plötzlich immer wieder Trüffeln aus der Bonbonniere genommen hatte die letzte Zeit, und wirklich fand ich den Albertchen selig, wie er das Innere des Wagens wusch, und alles war voll Blut. Hast du wieder ein Mädchen getötet, Albertchen, sagte ich und wurde ganz ernst. Mutti, sagte er, beruhige dich, nicht im Kanton Sankt Gallen, im Kanton Schwyz, die Stimme vom Himmel hat es so gewollt, das Mädchen hatte wieder ein rotes Röcklein an und gelbe Zöpfe.
    Aber ich habe mich nicht beruhigt, ich war noch strenger mit ihm als das erstemal; ich wurde fast böse. Er durfte den Buick eine Woche nicht benützen, ich wollte auch zu Hochwürden Beck gehen, ich war entschlossen; aber die Schwester hätte zu sehr jubiliert, das ging nicht, und so habe ich Albertchen selig eben noch strenger bewacht, und dann ging es zwei Jahre wirklich gut, bis er es noch einmal tat, weil er der Stimme vom Himmel gehorchen mußte, Albertchen selig, er war ganz geknickt und hat geweint, aber ich habe es gleich bemerkt an den fehlenden Trüffeln aus der Bonbonniere. Es war ein Mädchen im Kanton Zürich gewesen, auch mit einem roten Röcklein und gelben Zöpfen, nicht zu glauben, wie unvorsichtig die Mütter ihre Kinder kleiden.«
    »Hieß das Mädchen Gritli Moser?« fragte ich. »Es hieß Gritli, und die vorigen hießen Sonja und Eveli«, antwortete die alte Dame. »Ich habe mir die Namen alle gemerkt; aber dem Albertchen selig ist es immer schlechter gegangen, er begann
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    flüchtig zu werden, ich mußte ihm alles zehnmal sagen, ich mußte den ganzen Tag mit ihm schimpfen wie mit einem Bub, und es war im Jahre neunundvierzig oder fünfzig, so genau erinnere ich mich nicht mehr, wenige Monate nach dem Gritli, da ist er wieder unruhig geworden und fahrig; sogar der Hühnerstall war in Unordnung, und wie wild haben die Hühner gegackert, weil er auch das Futter nicht mehr ordentlich zubereitete, und immer aufs neue fuhr er herum mit unserem Buick, ganze Nachmittage lang, sagte nur, er gehe bummeln, und auf einmal merkte ich, daß wieder Trüffel fehlten in der Bonbonniere. Da habe ich ihm aufgelauert, und als er sich ins Wohnzimmer schlich, Albertchen selig, das Rasiermesser wie einen Füllfederhalter eingesteckt, bin ich zu ihm gegangen und habe ihm gesagt: Albertchen, du hast wieder ein Mädchen gefunden. Die Stimme vom Himmel, Mutti, hat er geantwortet, bitte laß mich nur noch dieses Mal, was befohlen ist vom Himmel, ist befohlen, und ein rotes Röcklein hat es auch und gelbe Zöpfe. Albertchen, sagte ich streng, das kann ich nicht zulassen, wo ist das Mädchen? Nicht weit von hier, bei einer Tankstelle, sagte Albertchen selig, bitte, bitte, Mutti, laß mich gehorchen. Da wurde ich energisch, es gibt nichts, Albertchen, habe ich gesagt, du hast es mir versprochen, reinige auf der Stelle den Hühnerstall und gib den Hühnern ordentlich zu fressen. Da ist Albertchen selig zornig geworden, das erstemal in unserer Ehe, die doch sonst so harmonisch war, hat geschrien, ich bin nur dein Hausknecht, so krank war er, und ist hinausgerannt mit den Trüffeln und dem Rasiermesser zum Buick, und schon eine Viertelstunde später hat man mir telephoniert, er sei mit einem Lastwagen zusammengestoßen und gestorben, Hochwürden Beck kam und Polizeiwachtmeister Bühler, der war besonders feinfühlend, weshalb ich denn auch der Churer Polizei im Testament fünftausend Franken vermacht habe, und fünftausend vermachte ich der Zürcher Polizei, weil ich ja hier Häuser habe in der Freiestraße, und natürlich ist auch meine Schwester gekommen mit ihrem Chauffeur, um mich zu ärgern, sie hat mir die ganze Beerdigung verdorben.«
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    Ich starrte die Alte an. Nun war auch glücklich die Stiftung gekommen, auf die ich immer gewartet hatte. Es war, als ob ich noch besonders verhöhnt werden sollte.
    Doch nun kam endlich der Professor mit einem Arzt und zwei Schwestern; wir wurden hinausgeschickt, und ich verabschiedete mich von Frau Schrott.
    »Leben Sie wohl«, sagte ich verlegen und gedankenlos, nur den Wunsch im Kopf, so schnell wie möglich wegzukommen, worauf sie zu kichern begann und der Professor mich eigentümlich musterte; die Szene war peinlich; ich war froh, die Alte, den
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