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Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane
Autoren: Cecilia Grant
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entwaffnende Lächeln wie ihr Bruder, und die gleichen schokoladenbraunen Augen. »Armut gibt es nicht nur in der Stadt. Ich denke nicht, dass mich nach allem, was wir in Sussex erlebt haben, auf diesem Spaziergang noch irgendetwas schockieren kann. Das wollte Mr Mirkwood sagen.«
    »Ganz genau«, pflichtete ihr Mann ihr bei, ebenso zufrieden damit, von ihr korrigiert zu werden, wie sie es war, sich von ihm necken zu lassen. »Uns kann nichts schrecken. Gehen Sie nur weiter!«
    Weiter ging sie also, vorbei an Hafenarbeitern, die aus Spelunken torkelten, Huren, die sich frisch an Land gekommenen Matrosen anboten, und Kindern, die Wagen hinterherliefen, um vielleicht etwas zu ergattern, was herunterfiel. Als respektable Dame hätte sie sich hier niemals zu Hause gefühlt. Wie viel sie verpasst hätte!
    Ihr Herz begann zu klopfen, als das Straßenpflaster unter ihren Füßen in Holz überging und sie sich den riesigen Kais mit ihren Lagerhallen, Kontoren und ihrem allzeit geschäftigen Treiben näherten. Vor ihnen drängte sich eine kleine Gruppe von Auswanderern, die darauf warteten, von einem der Boote zu den Schiffen gebracht zu werden, die draußen im Fluss ankerten. Sie schlängelte sich zwischen ihnen hindurch – eine Mirkwood auf dem Arm, zwei weitere im Schlepptau – und bog rechts zu dem Kontor ab, der ihr Ziel war.
    Die Tür stand offen und sie blieb auf der Schwelle stehen, um einfach nur zu schauen.
    Ihr Mann stand an einem Tisch der Tür direkt gegenüber, ohne Rock, ohne Manschettenknöpfe und mit hochgekrempelten Ärmeln. Er hatte die Hände zu beiden Seiten eines Schriftstücks, das er gerade studierte, auf die Tischplatte gestützt, und als er so vornübergebeugt dastand und ihm das Haar ins Gesicht fiel, wurde ihr allein von der Schönheit seiner Unterarme schwindlig.
    Zu seiner Rechten stand ein Mann, den sie als den ersten Maat des Schiffs wiedererkannte. Er erklärte gerade etwas, und Will nickte mit einer mühelosen Autorität, die er sich vermutlich in Soldatentagen angewöhnt hatte. Er sah auf, um eine Frage zu stellen, erblickte sie und lächelte.
    Sein Lächeln – nichts gegen Mr Mirkwood, doch
so
sollte das Lächeln eines Mannes aussehen, schief und voller Charakter – ließ sie aufblühen wie eine Blume in der Sommersonne.
    So war sie auch auf dem Primrose Hill unter seinem Lächeln aufgeblüht, als sie verstanden hatte, dass er Edward verschont hatte. Zugegeben, sie hätte Edward eigenhändig erwürgt, wenn er so feige gewesen wäre, diese Milde auch nur mit einer Fleischwunde zu beantworten, doch das war nicht nötig gewesen. Auch in Edward war etwas aufgeblüht, zumindest für die Zeit, die es gedauert hatte, auf den Boden zu zielen und einen unverständlichen Fluch über schlechte, krumme Pistolen auszustoßen. All das rief ihr Mann in den Menschen hervor.
    »Bringst du etwa den Landadel her, damit er diejenigen von uns, die für ihr täglich Brot arbeiten, begaffen kann?«
Einen Augenblick
, sagte er dem Seemann mit einer Geste und kam hinter dem Tisch hervor. »Vielleicht sollten wir Eintritt verlangen. Sixpence oder das erstgeborene Kind.« Miss Mirkwood hatte ihn inzwischen entdeckt und die Arme nach ihm ausgestreckt; er nahm sie Lydia ab und setzte sie sich geübt auf die Schulter. »Was meinst du, Fuller?«
    Mr Fuller, der an seinem eigenen Schreibtisch vor dem Fenster an der Ostwand gesessen hatte, war auf die Füße gekommen. »Wenn in meinen Büchern irgendwo Ordnung herrscht, dann verdanke ich das Mrs Blackshear. Sie darf mitbringen, wen sie will.« Er schickte eine Verbeugung in Richtung der Mirkwoods, die er vom Hochzeitsfrühstück her längst kannte. Das mit den Büchern war natürlich übertrieben, doch Lydia sah darüber hinweg.
    Manchmal fühlte sich ihr neues Leben an wie etwas, das man ihr gar nicht hätte anvertrauen dürfen. Eine kostbare, zerbrechliche Spieluhr in den Händen eines ungeschickten Kindes. Doch es war auch der Preis, um den Will und sie gekämpft und den sie schließlich errungen hatten. Mit eigenen Händen hatten sie es sich aus einem Trümmerhaufen von Fehlern und Schicksalsschlägen aufgebaut.
    Nie würden eigene Kinder auf den Schultern ihres Mannes sitzen. Ihr Leben würde einfach sein, sie würden Kaufleute als Nachbarn haben, und aus ihrem Spielerlös würde nur ein bescheidenes Einkommen zu Wills Lohn hinzukommen. Vermutlich würden sie nie viele Freunde haben. Und doch – nach allem, was sie beide über die Höhen und Tiefen des Lebens
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