Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane
Autoren: Cecilia Grant
Vom Netzwerk:
dass sie zitterten. Vielleicht vor Kälte. Aber dann hätte er nicht blass wie verbrauchter Talg ausgesehen.
    Zur Hölle. Will klopfte sich die Hände ab. Er hatte jedes Recht, diesen Aufschneider zu erschießen und alle Vorteile, die die Natur und seine Erfahrung ihm verschafften, auszunutzen. »Sie sollten sich den Mantel anziehen«, sagte er dennoch. »Besser, Ihre Muskeln sind warm, wenn es so weit ist.«
    Roanoke nickte knapp, ohne Will anzusehen, rührte sich aber nicht.
    Zum Teufel mit ihm. Zum Teufel mit diesem ganzen verfluchten Unternehmen. Will steckte die Hände tief in die Manteltaschen. Die beiden Sekundanten sprachen inzwischen mit dem Arzt, und die Kutsche stand offen. Undeutlich konnte er Lydias Gestalt erkennen. »Ist das Ihr Bruder, der mit Ihnen gekommen ist?« Der Kerl sah wirklich aus wie eine feinere Kopie von Roanoke, wie es in Familien manchmal vorkam.
    Kieferknochen nickte abermals, ohne sich umzudrehen. Er fuhr sich kurz mit der Hand über den Mund, bevor er sie wieder hinter den Rücken nahm. Will kam nicht umhin, sich zu fragen, ob er sich hatte übergeben müssen. Dann erwiderte Roanoke seinen Blick. »Er kennt nicht alle Umstände. Falls er Sie fragen sollte – falls das hier mein Ende ist, zum Beispiel, und er wissen will, wie es dazu kam –, wäre ich Ihnen verbunden, wenn Sie nicht erwähnen würden, dass ich Lydia geschlagen habe.«
    »Für Sie jetzt Miss Slaughter.« Die Worte entfuhren ihm schneidend wie ein gezogenes Schwert, und wenn er in dem Moment eines gehabt hätte, hätte er für nichts garantieren können. »Sie würden in seiner Achtung sinken, meinen Sie, wenn er wüsste, dass Sie eine Frau geschlagen haben?«
    »Er hat ziemlich feste Vorstellungen davon, was sich gehört.« Stirnrunzelnd starrte Roanoke auf seine Stiefelspitzen und ließ vor Kälte eine Schulter nach der anderen kreisen. »Ich habe sie nie geschlagen, wissen Sie, bis auf das eine Mal.« Es war fast nur noch ein Murmeln, obwohl ihm klar sein musste, dass sein Bruder weit außer Hörweite war. »Und ich glaube nicht, dass ich es getan hätte, wenn sie mich nicht zuerst geschlagen hätte. Ich war einfach völlig überrumpelt, und ich habe nicht nachgedacht und mich völlig vergessen.« Er verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß und lehnte sich erneut gegen den Baum.
    »Soll das eine Entschuldigung sein?« Will sah seinen eigenen Atem, der in der Kälte kleine Wölkchen machte.
    Der Mann zögerte und schüttelte dann den Kopf. Dummer Bastard. Er zitterte und würgte und wurde leichenblass bei der Vorstellung, dass jemand eine Pistole auf ihn richten würde, doch eher ließ er sich erschießen, als ein Feigling genannt zu werden. »Ich habe sie vorher nie geschlagen. Das wollte ich nur sagen.«
    Eine Reihe von Antworten zog vorbei.
Glauben Sie, dass das irgendetwas ändert? Soll ich vielleicht vergessen, dass Sie in Chiswell die ganze Zeit niederträchtig zu ihr waren? Erhoffen Sie sich davon vielleicht Gnade im Jenseits – denn ich versichere Ihnen, mich beeindruckt diese Aussage nicht im Geringsten.
    Er ließ den Blick zurück zur Kutsche wandern, wo er eine Gestalt in einem grauen Mantel ausmachen konnte, das Gesicht im Schatten. »Sie können mit ihr sprechen, wenn Sie möchten. Falls Sie ihr noch etwas zu sagen haben.« Vermutlich hätte er dieses Angebot nicht ohne ihre Erlaubnis machen dürfen. Zu spät. »Sie hat darauf bestanden, dabei zu sein, da das Duell ihretwegen ausgetragen wird.«
    Roanoke fuhr überrascht auf, warf dann einen verstohlenen Blick in Richtung der Kutsche, bevor er sich wieder umdrehte. »Ich wüsste nicht, was ich ihr noch zu sagen hätte. Sie weiß, dass ich sie sonst nie geschlagen habe.«
    Will zuckte die Schultern und trat einen halben Schritt zurück. Seine Muskeln brauchten die Bewegung, und den Abstand, um der Versuchung zu entgehen, diesen sturen Hohlkopf abermals niederzuschlagen. »Das geht mich nichts an.« Er legte den Kopf in den Nacken und starrte grübelnd in die kargen Äste. »Ich spreche nur aus Erfahrung. Es ist hilfreich, allen Ballast abzuwerfen und reinen Tisch zu machen. Man zieht auch nicht gern unversöhnt in die Schlacht, wenn es die Möglichkeit zur Versöhnung gegeben hätte.« Noch ein halber Schritt zurück, noch ein Schulterzucken. »Vielleicht haben Sie ihr nichts zu sagen. Das kann ich nicht wissen. Aber wenn, dann ist jetzt der Zeitpunkt.«
    Roanoke warf noch einen Blick hinter dem Baum hervor. Er verschränkte die Arme, die Schultern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher