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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind
Autoren: Doris Bezler
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schob er Stephan einige Papiere über den Tisch. »Ich war fleißig. Habe den Bericht zu Samstag geschrieben und auch deine Hypothese drangehängt. Man kann ja nie wissen, eines Tages vielleicht …«
    »Du meinst, wir kommen jetzt nicht weiter?«
    Heck schüttelte den Kopf. »Zurzeit können wir niemandem etwas nachweisen. Aber wie das so ist mit Netzwerken: Die sind immer so schwach wie ihr schwächster Faden. Irgendwann fühlt sich eines dieser Paare falsch behandelt oder eine Krankenschwester oder eine dieser angeworbenen Mütter unterbezahlt, und schon singt das Vögelchen. Wir müssen einfach nur Geduld haben. Kennen wir ja. Die Geduld des Jägers steckt in jedem guten Polizisten.«
    »Und Fatima?«, fragte Stephan.
    »Die heißt jetzt Pauline oder Charlotte, wird eine Kindheit haben mit Ballett, Reiten und Privatschule. Ich denke, das wird sie verkraften.«
    »Es ist Menschenhandel«, wandte Stephan ein.
    »Hm«, brummte Heck, und seine breiten Finger schlugen auf die Tastatur ein. Anscheinend war der Fall für ihn abgeschlossen. Doch dann hielt er einen Moment inne und sah Stephan an. »Wo kriegen diese Doctores eigentlich die ganzen Mütter her, denen sie die Kinder abkaufen? Sie können ja schlecht annoncieren!«
    »Das ist ein guter Ansatzpunkt«, lobte Stephan. »Es geht gar nicht anders, als dass sie Leute in Jugendämtern, Sozialämtern …«
    »Arztpraxen«, ergänzte Heck.
    Stephan nickte zustimmend und fuhr fort: »… auf der Gehaltsliste stehen haben.«
    Heck schlug wieder in die Tasten. »Irgendwo dort wird es die undichte Stelle geben. Eines Tages. So ist das bei der Mafia auch.«
    Eine Weile saßen beide konzentriert vor ihren Bildschirmen. Plötzlich sagte Heck: »Und da wir gerade beim Thema
Plötzlich Papa
sind, möchte ich etwas klarstellen. Ich habe gehört, ihr zerreißt euch schon die Mäuler.«
    Stephan blickte interessiert auf.
    »Sie ist meine Tochter«, sagte Heck.
    Stephan musterte den Kollegen verständnislos. »Wer?«
    »Ernestine. Sie ist von einer früheren Freundin. Es hatte nicht lang gedauert mit uns. Die hatte mir nie etwas über ihre Schwangerschaft gesagt. Ihrer Tochter auch nicht. Erst letztes Jahr, als sie kurz vorm Sterben war. Krebs. Da hat sie das Geheimnis gelüftet und Ernestine meinen Namen genannt. Da war Ernestine schon längst bei der Polizei. Plötzlich stand sie vor mir.«
    »Hast du das durch einen Test überprüfen lassen?«, fragte Stephan.
    Heck lachte auf. »Nein! Guck ihre Hände an, dann weißt du es. Das arme Mädchen! Schaufeln wie ein Kohlenträger!«
    Stephan lachte. Er erhob sich, um das Fenster zu kippen. Irgendwie hatte er Sehnsucht nach Frischluft und Freiheit. Sein Blick fiel auf den Parkplatz. Dort stand der Polizeipräsident und unterhielt sich mit einem Mann, dem Stephan schon einmal begegnet war.
    »Ist das da unten eigentlich der Direktor der Hochschule für Gestaltung?«, erkundigte er sich.
    Heck richtete sich ein wenig auf und schielte durch die Scheiben. »Das ist unser großer Häuptling Silberhaar.« Er grinste.
    Stephan schüttelte den Kopf. »Ich meine doch nicht den Polizeipräsidenten, ich meine den anderen. Ich hab ihn mal auf einem Fahrrad gesehen. Offenbacher sind überall, stand drauf. Er kennt sich ziemlich gut aus hier.«
    Heck lachte laut. »Den meine ich doch auch. Das ist der Offenbacher Oberbürgermeister! Liest du in der
Offenbach Post
außer dem Sportteil auch mal was anderes?«
    »Oh«, sagte Stephan.
    *
    Sie hatten einen Tisch im Basilikum reserviert. Als sie das Lokal betraten, schreckte Lars zurück. An einem Fenstertisch saß Andrea Schröder mit einer anderen Frau etwa gleichen Alters. Vor beiden standen gut gefüllte Rotweingläser.
    »Wir können auch woanders hingehen«, flüsterte Maren. Doch in dem Moment hatte Andrea Schröder sie bereits entdeckt und winkte ihnen zu.
    »Passt schon«, sagte Stephan. Der Kellner kam und zeigte ihnen einen Tisch. Maren hatte den gewählt, an dem sie auch bei ihrem ersten Treffen gesessen hatten.
    Sie studierten die Speisekarte. Lars sah öfter über den Kartenrand und ließ seine Blicke über Maren gleiten. Schön sah sie aus in diesem weichen Kerzenlicht. Der Nachmittagsschlaf hatte ihr gutgetan. Ihre Wangen glühten. Als sie die dunklen Haare hinter die Ohren schob, glitzerte es an ihren Ohrläppchen. Sie hatte seinen Blick bemerkt und lächelte ihm zu.
    »Zum wievielten Mal fangen wir heute eigentlich von vorn an?«, fragte sie.
    »Es dürfte das dritte Mal sein«,
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