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Das Vermächtnis von Erdsee

Das Vermächtnis von Erdsee

Titel: Das Vermächtnis von Erdsee
Autoren: Ursula K. Leguin
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gewesen sein), nahmen die Raubüberfälle der Drachen zu. Die Inseln im Inneren Bereich wurden von Flüchtlingen aus dem Westen überschwemmt und von Schwierigkeiten beim Handel und der Schifffahrt heimgesucht, da die Drachen begonnen hatten, Schiffe, die westlich von Hosk auftauchten, in Brand zu setzen; sie überfielen sogar Schiffe im Innenmeer. Sämtliche Magier und alle bewaffneten Männer, die Maharion befehligen konnte, zogen aus, um die Drachen zu bekämpfen, und er selbst ging viermal mit; doch ihre Schwerter und Pfeile waren von geringem Nutzen gegenüber einem gepanzerten, Feuer speienden und fliegenden Feind. Paln war eine »verkohlte Wüste« und etliche Dörfer und Städte im Westen von Havnor waren restlos niedergebrannt. Die Magier des Königs hatten zahlreiche Drachen über dem Pelnischen Meer durch Zauber gebannt und getötet, was vermutlich den Zorn der Drachen schürte. Eben als Erreth-Akbe zurückkehrte, flog der Großdrache Orm Feuer speiend in die Stadt Havnor und um die Türme des Königspalasts.
    Erreth-Akbe kam in die Bucht gesegelt »mit vom Ostwind zerschlissenen Segeln«, und konnte nicht einmal rasten, um »seinen Herzensbruder zu umarmen und die Seinen zu begrüßen«. Er nahm selbst Drachengestalt an und flog über den Berg Onn zum Kampf mit Orm. »Flammen und Feuer in der Mitternacht« erblickte man vom Palast in Havnor aus. Sie flogen nach Norden, Er-reth-Akbe als Verfolger. Über dem Meer in der Nähe von Taon wandte Orm sich noch einmal um, und diesmal verwundete er den Magier, sodass er auf die Erde niedergehen und die eigene Gestalt annehmen musste. Nun seinerseits verfolgt vom Drachen, gelangte er auf die alte Insel Ea, die erste, die Segoy aus dem Meer gehoben hatte. Auf diesem heiligen Boden voller Urkräfte standen Orm und er sich gegenüber. Sie ließen ab vom Kampf, sprachen von gleich zu gleich miteinander und kamen überein, der Feindschaft zwischen ihren Rassen ein Ende zu machen.
    Erbost über den Angriff auf das Herzland ihres Königreichs und ermuntert durch ihren Sieg im Pelnischen Meer, hatten die Magier des Königs jedoch unseligerweise die Flotte weit in den Westbereich hineingeführt und dort die Eilande und Felsenklippen angegriffen, wo die Drachen ihre Jungen aufzogen; etliche Brutstätten waren zerstört worden, »monströse Eier mit eisernem Schwert zertrümmernd«. Als er dies vernahm, flammte in Orm die Wut des Drachen erneut auf und »wie ein Feuerpfeil« schoss er nach Havnor. (Drachen werden sowohl auf Hardisch als auch auf Kargisch als männlich angesprochen, obwohl man in der Frage ihres Geschlechts auf Vermutungen angewiesen ist und es im Fall des ältesten und größten von ihnen ein Geheimnis ist.)
    Halbwegs wiederhergestellt, eilte Erreth-Akbe Orm hinterher, vertrieb ihn aus Havnor und hetzte ihn »durch den ganzen Archipel und alle Reiche«, ließ ihn nie zu Boden kommen, sondern trieb ihn auf die See hinaus, bis sie in einem fürchterlichen Flug den Drachengraben überquerten und zur letzten Insel im Westbereich kamen, nach Selidor. Dort am Strand traten sie einander erschöpft gegenüber und kämpften »mit Krallen und Feuer und Schwert«, bis
    ihr Blut sich vermischte und färbte rot den Sand.
    Ihr Atem versiegte. Ihre Körper lagen am tosenden Meer, ineinander verschlungen. Gemeinsam gingen sie ein ins Reich des Todes.
     
    König Maharion, so erzählt die Geschichte, begab sich nach Selidor und weinte »am Meer bittere Tränen«. Er nahm Erreth-Akbes Schwert mit und stellte es aufrecht oben auf den höchsten Turm seines Palasts.
    Nach dem Tod von Orm blieben die Drachen im Westen eine Bedrohung, besonders, wenn Drachenjäger sie reizten, aber ihre Stützpunkte auf bewohnten Inseln und ihre Überfälle auf die friedliche Schifffahrt gaben sie auf. Yevaud auf Pendor war der einzige Drache, der nach der Zeit der Könige die Inseln des Inneren Bereichs plündernd heimsuchte. Viele Jahrhunderte lang war kein Drache über dem Innenmeer gesichtet worden, als Kalessin, genannt der Älteste, Ged und Lebannen zur Insel Rok brachte.
    Maharion starb mehrere Jahre nach Erreth-Akbe, ohne dauerhaften Frieden erlebt zu haben, dafür jedoch viel Unruhe und Zwist in seinem Königreich. Viele waren der Meinung, dass es in der Erdsee keinen wahren König geben könne, seitdem der Ring des Friedens verloren war. Im Kampf gegen den rebellischen Gehis tödlich verwundet, sprach Maharion eine Prophezeiung aus: »Der soll meinen Thron erben, der das Land der
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