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Das Vermächtnis von Erdsee

Das Vermächtnis von Erdsee

Titel: Das Vermächtnis von Erdsee
Autoren: Ursula K. Leguin
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verwüstete. Irgendwo westlich von Ensmer trat Ath gegen den großen Drachen Orm zum Kampf an. Die Erzählung über diese Begegnung kennt verschiedene Fassungen; doch obgleich die Drachen anschließend ihre feindseligen Handlungen für eine Weile einstellten, steht fest, dass Orm die Begegnung überlebte, Ath jedoch nicht. Sein Buch, das Jahrhunderte lang verloren war, wird nun im Einsamen Turm von Rok verwahrt.
    Drachen ernähren sich, so heißt es, von Licht oder Feuer; sie töten aus Wut, um ihre Jungen zu schützen oder zum Spaß, aber sie verzehren ihr Opfer nie. Seit unvordenklichen Zeiten bis zur Regierungszeit von Heru haben sie für ihre Zusammenkünfte und als Brutstätte nur die entlegensten Inseln des äußersten Westbereichs genützt, und die Mehrzahl der Inselbewohner kannte sie nicht einmal vom Sehen. Von Natur aus aufbrausend und hochmütig, könnten die Drachen sich vielleicht durch wachsende Bevölkerungsdichte und Wohlstand in den inneren Bereichen bedroht gefühlt haben, da dies auch im Westbereich einen zunehmenden Schiffsverkehr zur Folge hatte. Aus welchem Grund auch immer, in diesen Jahren fielen sie häufiger, plötzlich und willkürlich über Herden, Äcker und Dörfer auf den einsamen Inseln des Westens her.
    In einer Erzählung über Vedurnan oder >die Trennung«, die in Hur-at-Hur verbreitet ist, heißt es:
    Menschen wählten das Joch,
    Drachen die Schwingen.
    Menschen Besitz,
    Drachen kein Ding.
     
    Demnach entschieden sich die Menschen dafür, Besitz zu haben, Drachen jedoch nicht. Doch so, wie es unter den Menschen Asketen gibt, sind manche Drachen begierig nach funkelnden Dingen wie Gold und Edelsteinen. Einer von diesen war Yevaud, der zuweilen in Menschengestalt unter die Menschen ging und die reiche Insel Pendor in eine Pfründe für Drachen verwandelte, bis Ged ihn zurück in den Westen jagte. Doch die plündernden Drachen in den Liedern und Gesängen scheinen nicht so sehr von Gier getrieben zu sein, sondern von Ärger und dem Gefühl, betrogen und ausgenutzt worden zu sein.
    Die Lieder und Gesänge, die von Überfällen der Drachen und Gegenmaßnahmen der Magier berichten, schildern die Drachen als erbarmungslose, wilde Tiere, Furcht einflößend, unberechenbar, dabei aber intelligent und manchmal weiser als Magier. Zwar sprechen sie die Wahre Sprache, doch in unglaublich gewundener
    Manier. Einige von ihnen haben sichtlich Freude an Rededuellen mit Magiern, »Wortgefechten mit spitzer Zunge«. Wie die Menschen halten alle, mit Ausnahme der ganz Großen, ihren Wahren Namen geheim. In dem Lied über Hasas Reise treten die Drachen als bedrohliche, doch empfindsame Wesen auf, deren Verärgerung über die sich drängende Menschenmenge gerechtfertigt scheint durch ihre Liebe zum eigenen, öden und verlassenen Reich. Sie sagen zum Helden:
    Segle heim zu den Häusern der aufgehenden Sonne, Hasa.
    Unseren Schwingen lass die weiten Winde des Westens,
    Uns lass das Luft-Meer, das Unbekannte, das Äußerste...
    Maharion und Erreth-Akbe
     
    Königin Heru, auch Adlerin genannt, erbte den Thron von ihrem Vater Denggemal aus dem Hause Ilien. Ihr Gatte Aiman entstammte dem Geschlecht Morreds. Nachdem sie dreißig Jahre lang regiert hatte, übergab sie die Krone ihrem Sohn Maharion.
    Maharions Magier-Berater und unzertrennlicher Freund war ein Mann nicht von Stand, der Sohn einer Dorfhexe aus dem Landesinneren von Havnor, ein vaterloses Kind. Er ist der beliebteste Held des ganzen Archipels; seine Geschichte wird in den Heldentaten des Erreth-Akbe erzählt und beim Langtanz in der Mittsommernacht von den Barden gesungen.
    Erreth-Akbes magische Begabung war bereits unverkennbar, als er noch ein Kind war. Er wurde an den Hof geschickt und von den dortigen Magiern ausgebildet, und die Königin wählte ihn zum Gefährten ihres Sohnes.
    Maharion und Erreth-Akbe wurden Herzensbrüder. Zehn Jahre verbrachten sie im gemeinsamen Kampf gegen die Kargs, deren gelegentliche Übergriffe aus dem Osten in jüngster Zeit zu regelrechter Invasion, Besatzung und Sklavenmacherei geworden waren. Venweg, Torheven und die Torikien, Spevy, Perregal und Teile von Gont standen seit einer Generation oder länger unter kargischer Herrschaft. In Schelieth auf Weg wirkte Erreth-Akbe einen großen Zauber gegen die Kräfte der Kargs, die mit »tausend Schiffen« in den Wegmarschen gelandet waren und nun über die Hauptinsel ausschwärmten. Unter Anrufung der Urmächte mithilfe einer Formel, die >Wasserzauber< genannt wird
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