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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany
Autoren: Chufo Lloréns
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Panzerhemden, Harnischen und Helmen schwitzten, sprangen nicht gerade zimperlich mit den Leuten um: Sie griffen zur Peitsche, um die Menge zu dirigieren, und vertrieben sie auch, indem sie mit ihren Hellebardenschäften auf all jene einschlugen,
die versuchten, die Ordnung zu stören. Jede Maßnahme war gut, vor allem, wenn sie dazu diente, dass dieses Gewühl von Menschen und Tieren vorankam. Falls es Unstimmigkeiten gab, wer an die Reihe kommen sollte, bestand ein unfehlbares Mittel darin, dass man die Streitenden herausholte und unter Schmähungen und Anrufungen Gottes und des Teufels ans Ende der Schlange zurückschickte.
    Grund für diese ganze Betriebsamkeit war, dass die Beauftragten des städtischen Zollamtes die Waren prüfen mussten, um den Betrag zu kassieren, den die Prohomes des Stadtrates als besondere Abgabe an den Grafen vereinbart hatten. Er ließ damit den Rec Comtal anlegen, der das Wasser des Flusses Besós in die Stadt leiten sollte – eine vorteilhafte Neuerung für Barcelona, und damals wollte man den Kanal gerade fertigstellen.
    Durch die Menge ritt ein mittelgroßer junger Mann. Er saß auf einem ruhigen kastrierten Rotschimmel. Die Haut des jungen Mannes war sonnengebräunt. Wind und Wetter hatten seine Züge gegerbt. Er hatte braune Augen, lange schwarze Haare und machte einen angenehmen Eindruck. Auffällig war sein vorstehendes und gespaltenes Kinn, das Charakterstärke und einen energischen Willen verriet. Er hieß Martí Barbany. Auf der Kruppe des Pferdes beförderte er zwei Mantelsäcke, die mit Riemen am Sattel befestigt waren. Er tätschelte den Hals seines Rotschimmels und wartete geduldig darauf, dass er an die Reihe kam. Hin und wieder griff er sich an die Brust, um sich zu vergewissern, dass sich sein Beutel, in dem er zusammen mit seinen Schätzen den Brief verwahrte, von dem seine Zukunft abhing, weiter am richtigen Platz befand. Er hatte lange Beinkleider an. Ihre unteren Enden steckten in zwei Gamaschen, die mit Lederbändern an seinen Waden festgebunden waren. Außerdem trug er ein einfaches Stoffwams und einen bis zu den Oberschenkeln reichenden Überrock aus Serge, den er sich über den Kopf gezogen und mit einem Riemen um die Taille gegürtet hatte. An den Füßen hatte er Halbstiefel aus Hirschleder und auf dem Kopf eine grüne Kappe, wie manche Falkner sie bevorzugten.
    Da er nur langsam vorankam, beschäftigten sich seine Gedanken immer wieder mit der Frage, ob der Entschluss, das Elternhaus zu verlassen, und die Art und die Umstände, wie er es getan hatte, sich als richtiger Schritt erwiesen.
    Er war seit drei Tagen unterwegs. Seine Reise hatte in der Umgebung von Empúries begonnen und sollte mit Gottes Hilfe in Barcelona enden.

    Wie wenig konnte er in diesem Augenblick vorausahnen, auf welch verschlungene Pfade ihn sein Leben im Lauf der Jahre führen würde und welche außerordentlichen Wechselfälle das Schicksal für ihn bereithielt! Seine Erinnerungen führten ihn in ferne und geliebte Regionen. Er war in einem kleinen Dorf bei Empúries geboren, auf dem Bauernhof, den der großherzige Graf Hugo seiner Familie übertragen hatte, nachdem diese zwei Generationen zuvor aus einer an die Cerdanya grenzenden Gegend des Conflent gekommen war und ihre Bereitschaft zu Vasallendiensten gezeigt hatte, indem sie den ihr zugewiesenen Wald rodete. Diese wild wachsende Laubmasse hatte sich in zwölf Feixas und drei Mundinas Ackerboden verwandelt. Martí war der einzige Sohn Guillem Barbanys von Gorb und Emmas von Montgrí, eines ungleichen Paares, dessen Ehe für die Familie der Frau unerwünscht gewesen war, denn Guillem Barbany war nur ein einfacher Söldner, ein Gefolgsmann der Regentin Ermesenda von Carcassonne, wie er zuvor einer ihres Gatten Ramón Borrell, des Grafen von Barcelona, bis zu dessen Tod gewesen war. Als ein solcher Gefolgsmann war er verpflichtet, Streifzüge im Grenzgebiet zu unternehmen. Dabei wollte man plündern, kleine und einsame Güter überfallen und in die Gebiete des maurischen Königs von Lérida vorstoßen. Das alles ging so lange weiter, bis wieder Feindseligkeiten mit dem Grafen Mir Geribert ausbrachen, der sich zum Fürsten von Olèrdola proklamiert hatte. Martís Mutter hingegen gehörte zu einer wohlhabenden Familie aus der Hauptstadt der Region Garrotxa. Die Familie sagte sich von ihr los, als sie darauf bestand, diesen einfachen Krieger zu heiraten, den man für nicht viel mehr als einen Straßenräuber hielt. Man enterbte seine
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