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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure
Autoren: Iny Lorentz
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übergeschnappt!«, schnauzte Michel sie an.
    Marie hob lächelnd die Hand. »Beruhige dich doch, mein Lieber, und sage mir, was in deinen Augen dagegen steht.«
    »Nun, ich …, er …« Michel brach ab, denn das, was ihm auf der Zunge lag, hätte ihn als Hahnrei dargestellt, und das wollte er doch nicht offen aussprechen, denn eigentlich war es nicht bewiesen.
    Marie nahm sein Stottern als Zustimmung. »Also ist es beschlossen!«
    Schwanhild wähnte sich im Fieber, während der Junker verzweifelt einen Gedanken zu fassen versuchte. »Herrin, aber ich weiß nicht …«, brachte er mühsam hervor und erntete sofort einen bitterbösen Blick von seiner Geliebten.
    Marie maß Ingold von Dieboldsheim mit einem hochmütigen Blick. »Ein nachgeborener Sohn, der auf nicht mehr hoffen kann als auf eine Rüstung, ein Schwert und ein Pferd, sollte glücklich sein, wenn ihm eine Erbin wie Schwanhild als Ehefrau angetragen wird. Zudem habt Ihr sie ins Gerede gebracht und solltet darauf bedacht sein, diese Angelegenheit aus der Welt zu schaffen.«Der Junker lief rot an und wand sich, als habe man ihn mit Nesseln gepeitscht. Dann holte er tief Luft und blickte Schwanhild an. »Was sagt Ihr dazu?«
    Schwanhild hob die Nase, bis diese fast noch höher schwebte als Maries. »Als Ritter Michels Ehefrau war der Weg zu meinem Herzen für Euch versperrt, doch als halbe Hure, als die ich für viele Leute nun gelten werde, muss ich für Euren Schutz dankbar sein.«
    Sie zwinkerte Marie dabei verschwörerisch zu und nahm sich gleichzeitig vor, dieser alles zu beichten, was sich zwischen ihr und Ingold abgespielt hatte, mochte es sie auch nicht ins beste Licht rücken. Sie war Marie jedoch so dankbar wie noch keinem Menschen in ihrem Leben. Mit einem schnellen Schritt war sie bei ihr, umarmte sie und küsste sie auf den Mund. Dann sank sie vor ihr auf die Knie und berührte den Stoff ihres Kleides mit der Stirn.
    »Ich habe viel über Euch gehört, Frau Marie, doch selbst das größte Lob wird Euch nicht gerecht. Nehmt meinen Dank und erlaubt, dass ich …, dass wir«, korrigierte sie sich mit einem Seitenblick auf Ingold, »unsere erste Tochter nach Euch und unseren erstgeborenen Sohn nach Herrn Michel nennen.«
    »Wir werden mit Freuden die Patenschaft übernehmen«, antwortete Marie und versetzte Michel einen Rippenstoß, damit auch er zustimmend brummte.

XIX.
     
    S eit diesen Ereignissen war ein halbes Jahr vergangen, und ein warmer Sommertag neigte sich seinem Ende zu. Marie und Michel saßen auf dem Söller ihrer Burg und blickten auf den Hof hinab, in dem ihre Kinder miteinander spielten. Trudi strich eben wieder ihren Vorrang als die Älteste heraus und kommandierteLisa, Egon und Falko wie Rekruten herum. Alika und Mariele standen daneben und tuschelten leise miteinander, während Beate auf einem Hackstock saß und eines der Knabenhemden flickte, das im eifrigen Spiel zerrissen worden war. Nicht weit von ihr entfernt säugte eine nicht mehr ganz junge Bauersfrau die kleine Hildegard.
    Michel trank von dem kühlen Bier, das Zdenka ihm durch eine Magd hatte bringen lassen, während Marie mit Wasser verdünnten Wein nippte. »Es war sehr großzügig von dir, Schwanhild und Ingold die Heirat zu erlauben, nachdem wir eine Amme für unsere Tochter gefunden hatten«, sagte sie, als sie den Becher wieder abgesetzt hatte.
    »Für dich sind wohl alle fünf dort unten deine Kinder.« In Michels Stimme schwang leiser Spott, aber auch viel Anerkennung. Seit Marie wieder bei ihm war, konnte er das Leben wieder genießen. Es machte ihm Freude, sein Land zu bewirtschaften und die frohen Mienen der Knechte und Mägde zu sehen, die unter Schwanhilds Herrschaft ihre Dienste nur widerwillig versehen hatten. Und was die gemeinsamen Nächte betraf, so war Marie zwar nicht ganz so feurig wie Schwanhild, aber auch nur halb so anstrengend. Es war einfach schön, miteinander zu kosen und das intime Zusammensein miteinander zu teilen.
    »Ja, für mich sind sie alle meine Kinder!«
    Michels Gedanken waren bereits so weit abgeschweift, dass er seine Frau einen Augenblick lang verständnislos anstarrte. So ganz begriff er auch nicht, was in ihr vorging. Egons Mutter Oda sollte Theres’ und Evas Erzählungen zufolge eine äußerst unangenehme Person gewesen sein, aber immerhin hatte sie seiner Marie den Weg in die Heimat geöffnet. Und sein Vater war der Mann, der geholfen hatte, Oda in die Sklaverei zu verschleppen. Der Gedanke an Schäfflein erinnerte ihn an
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