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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure
Autoren: Iny Lorentz
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machte ein Gesicht, als wolle sie den Herrn des Römischen Reiches Deutscher Nation persönlich erwürgen.
    Isberga von Ellershausen erlaubte normalerweise weder sich noch anderen Menschen, Kritik an einem Gesalbten zu üben, der Gott so nahe war, dass nur noch der Papst zwischen ihnen stand. Bei Hulda ließ sie jedoch Nachsicht walten, denn zum einen war diese die Tochter Rumold von Lauensteins, eines hoch angesehenen Höflings des Pfalzgrafen, der bei seinem Herrn leicht ein böses Wort über jemanden fallen lassen konnte, und zum anderen sah man ihr deutlich an, dass sie gesegneten Leibes war. Ihren Worten zufolge würde sie in weniger als drei Monaten den Erben von Hettenheim gebären. Also wollte Isberga sie nicht mit scharfen Worten in Wallung treiben und vielleicht schuld daran sein, wenn Hulda mit einer Frühgeburt oder gar einem totgeborenen Kind niederkam.
    Daher fasste sie die Hände ihrer Freundin und sah sie lächelnd an. »Errege dich doch nicht so, meine Liebe. Schenke deine ganze Kraft dem Kind, das unter deinem Herzen wächst. Du willst doch einen gesunden Sohn gebären, der einmal die Herrschaft seines Vaters übernehmen kann!«
    Über das teigige Gesicht Hulda von Hettenheims huschte ein selbstsicheres Lächeln. »Es wird ganz gewiss ein Sohn werden! Das haben mir der ehrwürdige Eremit Heimeran und eine weise Frau prophezeit.«
    Isberga musste ein Kichern unterdrücken. Ihre Freundin hatte bereits sechs Töchter, und kaum jemand am Hof des Pfalzgrafen wettete auf einen Erben Falko von Hettenheims. Doch Hulda schien sich ihrer Sache sicher zu sein, denn sie schwärmte nun davon, dass die Geburt ihres Sohnes den von ihr gehassten Vetter ihres Mannes, Heinrich von Hettenheim, weiterhin an den Stand eines armen, von einem geizigen Abt abhängigen Ritters fesseln würde.
    »Dieser Kerl macht sich doch tatsächlich Hoffnungen, mich und meine armen Töchter von Hettenheim vertreiben und mit seiner Brut dort einziehen zu können. Eher würde ich meine Seele verkaufen, als dies zuzulassen!«
    Die Burgherrin zuckte zusammen und bekreuzigte sich. »Versündige dich nicht vor Gott, Hulda! Sonst könnte der Himmel dich mit einer weiterer Tochter strafen – oder, schlimmer noch, mit einem schwächlichen Sohn, der die erste Woche nicht überlebt.«
    Hulda von Hettenheim winkte mit einem bösen Auflachen ab. »Ich werde gewiss kein schwächliches Kind gebären. Alle meine Töchter waren bei ihrer Geburt ungewöhnlich kräftig. Also wird auch mein Sohn ein starkes, munteres Kind sein.«
    »Beten wir zu Gott, dass er dich erhört!« Frau Isberga hätte ihrer Freundin aufzählen können, dass sie mindestens schon drei Kinder kurz nach der Geburt verloren hatte, aber sie wurde das Thema allmählich leid. Früher hatte Hulda den neuesten Klatsch vom Hof des Pfalzgrafen zu berichten gewusst, doch jetzt drehte sich ihr ganzes Denken um ihren ungeborenen Sohn und die Rache, die dieser an den Feinden seines Vaters nehmen würde. Auch aus diesem Grund hoffte die Burgherrin, ihreFreundin würde sich nicht zu lange bei ihr aufhalten, denn sonst konnte es womöglich zu spät für eine Weiterreise werden, und sie wollte Hulda nicht bis zu deren Niederkunft und darüber hinaus noch bis ins warme Frühjahr am Hals haben.
    Das Eintreten ihrer Wirtschafterin gab ihr die Möglichkeit, Huldas Monolog zu unterbrechen. »Was ist, Tine?«
    »Es ist Besuch für Euch gekommen, Herrin.«
    »Ich erwarte eigentlich niemanden. Wer ist es denn?«
    »Die Gemahlin des ehemaligen Burghauptmanns und Vogts von Rheinsobern«, lautete die ebenso unerwartete wie unangenehme Antwort.
    »Kunigunde von Banzenburg? Die hat mir gerade noch gefehlt.« Frau Isberga schüttelte sich bei dem Gedanken, ihre Vorgängerin auf der Sobernburg könne vor ihrer Tür stehen. Diese Frau würde sie auf keinen Fall empfangen.
    Tine schüttelte jedoch den Kopf. »Es ist nicht die Banzenburgerin, sondern Frau Marie Adlerin, die zusammen mit ihrem Gemahl, dem jetzigen Reichsritter Michel Adler auf Kibitzstein, zehn Jahre lang die Vogtei geführt hat.«
    Isberga konnte ihre Überraschung nicht verbergen. »Marie Adlerin? Die Dame wollte ich schon lange kennen lernen! Bring sie herein, rasch!«
    Frau Hulda stieß einen Schrei aus, als wolle ihr jemand einen Dolch ins Herz stoßen. »Nein! Nein! Dieser Hexe will ich nicht begegnen. Die ist schuld am Tod meines Gemahls!«
    Bisher hatte sie mit niemandem reden können, der bei jenem Zweikampf zugegen gewesen war, bei dem ihr
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