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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
Autoren: Anne Tracy Schoch
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er Arthenius, der gedankenverloren über die Hochebene blickte. Er kannte diesen Blick. Er hatte ihn in den letzten Jahren sehr oft gesehen.
    „Sie ist keine sechzehn mehr. Sie braucht niemanden, der sie beschützt.“
    „Vielleicht. Aber wenn all das stimmt, was die Bewahrer über sie gesagt haben, dann braucht sie vielleicht jemanden, der sie vor sich selber schützt.“
    Arthenius hätte noch mehr sagen können, doch stattdessen drehte er sich um und ging auf den Zauberturm, die Wohnstätte der Gilde, zu. Felicius stand einen Augenblick reglos im Morgenlicht, dann –
    „Du liebst sie noch immer.“
    Arthenius drehte sich nicht um, blieb aber stehen: „Du liest meine Gedanken.“
    Er bemühte sich nicht einmal, seinen Worten den anklagenden Unterton zu nehmen. Unter Telepathen war es ein ungeschriebenes Gesetz, niemals die Gedanken eines anderen gegen dessen Willen zu lesen.
    „Ich werde es nicht mehr tun, aber eins sage ich dir: Diese Liebe wird dich eines Tages umbringen. Und wenn dieser Tag gekommen ist, werde auch ich dir nicht mehr helfen können.“
     
    Kurz vor Mittag erreichte Julius Magiara. Der Ort war sehr klein und hatte, einmal abgesehen von seiner Nähe zum Zauberturm, kaum Bedeutung. Die Häuser, nahezu winzig, aus Holz erbaut und mit Schilfdächern, verschmolzen mit dem hohen Gras der Hochebene. Hier, außerhalb von Arida, das wusste Julius, bedeutete ein Haus aus Stein Luxus. Doch wie so oft fiel es ihm schwer, Wohlstand und Zufriedenheit voneinander zu trennen. Die Menschen von Magiara führten ein ruhiges und sicheres Leben, denn sie standen unter dem Schutz der Gilde.
    Als er den Marktplatz erreichte, wurde er bereits von einer erstaunlichen Menschenmenge erwartet. Wahrscheinlich hatte man ihn kommen sehen und nun begrüßten ihn die Dorfbewohner erwartungsvoll in der Hoffnung auf Neuigkeiten.
    Julius hatte seine Aufgabe für einfach gehalten, immerhin war er mehrere Jahre lang königlicher Bote gewesen. Doch jetzt, als er in die staunenden Augen der Kinder, die freundlichen Gesichter der Männer und Frauen blickte, konnte er sich kaum überwinden zu sprechen. Wie viele von denen, die in diesem Moment zu ihm aufblickten, würden den kommenden Krieg nicht überleben.
    Er stieg vom Pferd, sah sich einen Augenblick lang nach einer Erhöhung um, stieg schließlich auf einen breiten Baumstumpf und bat um Ruhe. Tatsächlich verstummten die Anwesenden nach kurzer Zeit.
    „Ich komme im Auftrag Juliens des Zweiten, Hochkönig von Anoria“, beinahe automatisch sprach er mit der neutral klingenden Stimme eines Botschafters, „schlimme Nachrichten erreichten uns aus dem Norden und Krieg steht unserem Land bevor. Das Volk von Laprak, die Brochonier, bedrohen uns und nur durch Kampf können wir unsere Freiheit und Souveränität sichern. Doch dazu braucht der König die Hilfe seines Volkes“, Julius zögerte kurz, während er seinen Blick über die ihm zugewandten Gesichter schweifen ließ. In den Mienen mancher Menschen las er Stolz, in anderen widerspiegelten sich Misstrauen, Furcht und Ablehnung, „in zehn Tagen sollen sich alle, jeder Mann und jeder Knabe über fünfzehn, die fähig sind, Waffen zu tragen, in Arida einfinden. Außerdem ist die Hälfte aller Einkünfte, seien es Geld oder Naturalien, in Arida abzuliefern. Jeder Verstoß gegen diese Verordnungen wird als Verrat betrachtet und dementsprechend geahndet.“ Und Landesverrat, das wusste jeder, wurde mit dem Tod bestraft.
    Entsetzen zeigte sich jetzt in den Gesichtern der Dorfbewohner. Eine Frau in Julius’ Nähe umklammerte die Hand ihres Sohnes. Eine andere versuchte ihren Mann, der zornig protestieren wollte, zurückzuhalten. Wut schlug Julius entgegen aus den Reihen der Dorfbewohner, Wut, eisiger Zorn und Angst. Wäre da nicht die Androhung von tödlichen Konsequenzen gewesen, sie hätten ihn, den Stellvertreter der Regierung, angegriffen und vielleicht sogar ermordet. Doch dann, von einem Augenblick zum nächsten, erlosch der zornige Funke, Empörung wich dumpfer Verzweiflung und Resignation.
    Überrascht und verwirrt sah Julius auf die Versammlung herab. Im ersten Moment konnte er nichts erkennen, was diese Veränderung ausgelöst haben könnte. Plötzlich jedoch blieb sein Blick an einer schemenhaften Gestalt, die im Schatten einer Hauswand stand, hängen. Er blinzelte, doch die Erscheinung war nach wie vor da. Und dann wusste er, um wen es sich handeln musste.
    Aber Julius kannte seine Pflicht. Mit höflichen Worten dankte
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