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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
Autoren: Anne Tracy Schoch
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beinahe so groß und vielleicht noch geschäftiger war als Arida, fehlte ihr die Majestät und Schönheit der Stadt der Könige. Jedoch gab es anstatt von prachtvollen Bauten und weißen Straßen eine Hafenanlage, die ihresgleichen suchte. Es war keine geschützte natürliche Bucht wie in Arida, sondern eine Anreihung künstlich ausgebauter Hafenbecken, ein Wunderwerk der Baukunst, bedachte man, dass Navalia zu den ältesten Städten des Reiches gehörte.
    Mühsam bahnten sie sich einen Weg durch die schlammigen, dreckigen Straßen. Immer wieder wurden sie von schmutzigen Menschen angerempelt und ein unangenehmer Geruch stieg ihnen in die Nase.
    „Das also ist Navalia, die drittgrößte Stadt Aquaniens. Von großer wirtschaftlicher Bedeutung, sagte Logis“, Julius zog demonstrativ eine Grimasse, „aber außer Schiffbau haben sie nichts zu bieten. Zugegeben, ihre Schiffe sind die besten und schnellsten in Anoria. Sie haben die Seefahrt revolutioniert, Kommunikation und Handel erheblich erleichtert und damit die Einigung des Reiches erst ermöglicht. Und den Baukünsten der Menschen von Navalia verdankt Aquanien seine moderne Handelsflotte und einen Teil seines Reichtums“, er wich einer Horde eilig vorbeistürmender Menschen aus, dann sah er sich in der schmalen Gasse um, „kein Wunder, dass sich kein Adliger hierher verirrt hat und der Gildemeister die Stadt regiert.“
    Stirnrunzelnd betrachtete er die ärmlichen und oft baufälligen Häuser, dann wandte er sich Zustimmung heischend zu Larenia um. Sie erwiderte seinen Blick mit einem leichten Lächeln: „Dies ist nicht Arida. Du musst deine Ansprüche wieder der Realität angleichen. Navalia ist wohlhabend und hat auch einen gewissen politischen Einfluss.“ Sie lächelte noch immer, doch dabei sah sie an Julius vorbei ins Leere und ihre Stimme klang, als würde sie aus weiter Ferne kommen, „diese Stadt kann unsere Rettung sein. Oder unser Verderben.“
    Der junge Prinz blieb abrupt stehen: „Wie meinst du das?“
    Nur mit Mühe schien sie in die Gegenwart zurückzufinden. Sie blinzelte, schüttelte dann leicht den Kopf, als müsse sie wieder Klarheit in ihre Gedanken bringen.
    „Der Gildemeister ist ein machtgieriger, ichbezogener Mensch. Und er ist bestechlich. Für den richtigen Preis würde er für jeden alles tun. Diese Stadt in den Händen der Brochonier würde uns mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Verderben stürzen.“
    Eine Weile gingen sie schweigend durch die Straßen. Erst als sie das Gildehaus fast erreicht hatten, wurde Julius bewusst, was hinter Larenias Worten steckte.
    „Du meinst, er würde uns verraten?“
    „Das habe ich nicht gesagt. Doch die Stadt ist nicht befestigt und nur schwer zu verteidigen. Und Idealismus und Vaterlandstreue gehören nicht zu den Stärken des Meisters.“ Sie blieb stehen. Einen Augenblick lang schien sie zu lauschen, dann sah sie Julius an: „Ich werde jetzt gehen. Euch droht hier keine Gefahr und ich werde stets in Eurer Nähe sein.“
    Sie drehte sich um und ging. Julius starrte ihr mit offenem Mund nach. Nur nebenbei registrierte er, dass sie wieder zur förmlichen Anrede gewechselt war. Mit traumtänzerischer Sicherheit bewegte sie sich durch die Menschenmasse, ohne auch nur einen der Drängelnden zu berühren. Für die meisten Menschen war sie einfach nicht da. Und dann war sie verschwunden. Einen Moment lang stand Julius unentschlossen auf der Straße, doch bevor er sich Klarheit über die Situation verschaffen konnte, kam ihm der Gildemeister entgegen und begrüßte ihn mit salbungsvoller Höflichkeit.
     
    Der nächste Tag gestaltete sich für Julius sehr unangenehm. Überall begegnete man ihm mit der gleichen übertriebenen Unterwürfigkeit. Er konnte keinen Schritt gehen, ohne auf theatralische Gesten der Wertschätzung zu stoßen. Schlimmer jedoch war, dass er nach seinem Gespräch mit Larenia die Absicht hinter dieser Maskerade erkannte. Der Gildemeister versprach sich von dem drohenden Krieg eine Möglichkeit zum Aufstieg, wenn schon nicht für seine Stadt, so doch zumindest für sich persönlich. Aus jeder Frage sprach diese Hoffnung. Es erschütterte Julius, dass es Menschen gab, die in dieser Katastrophe, diesem Desaster, das zur Vernichtung eines ganzen Volkes führen konnte, noch ihren Vorteil suchten. Zugleich begriff er die Weisheit des Königs (die zum Teil sicherlich von Logis angeregt war), die Verordnungen für Navalia abzuwandeln. Kein Gildenmeister würde zu den Waffen greifen. Zwar
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