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Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
Autoren: Brigitte Endres
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Blick auf das Meer sah ich ihr zu, während die wilde Brandung in meinen Ohren tobte.
    Hope bückte sich, um eine Muschel aufzuheben, die aber in diesem Moment von einer Welle erfasst und bis zu mir gespült wurde. Lachend lief sie auf mich zu. Ich ging in die Hocke, um sie ihr zu geben, als ich über mir eine Schar Möwen kreischen hörte. Mein Blick wanderte zum Himmel. Ich genoss es jedes Mal, Vögeln zuzusehen, waren sie doch fast die einzigen Wesen, die sich auf der Erde nicht einsperren ließen. Mit welcher Selbstverständlichkeit sie über dem Wasser kreisten, unabhängig von allen Vorschriften flogen sie immer genau dorthin, wo es ihnen gerade passte. Nach einer Weile wanderte mein Blick wieder zurück zu Hope. »Siehst du sie? So frei wäre ich auch gern.«
    Hopes Augen folgten meinen. »Aber du bist es nicht«, bemühte sich die Kleine, mich zu verstehen. »Wegen eurer Kuppel und so.«
    »Genau.« Ich schenkte dem Himmel ein wehmütiges Lächeln.
    Eine Weile sahen wir schweigend den kreisenden Vögeln zu. »Auf Loduun war nie jemand eingesperrt«, vermischte sich Hopes Stimme mit dem Meeresrauschen und Möwengeschrei.
    Welch schöne Vorstellung, dachte ich, bis ich merkte, wie die Kleine den Kopf senkte und ein Stück Treibholz im Sand fixierte. »Bis Lokondra kam.«
    Ich musste ihre Worte mehr von den Lippen ablesen, aber trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, schien mir ihr stiller Kummer derart laut, ich hörte die Brandung kaum mehr. Erfüllt von Erinnerungen wandte sie sich ab. Der letzte Ausdruck, den ich auf ihrem Gesicht einfing, rammte sich wie eine Faust in meinen Magen. Nie zuvor hätte ich gedacht, dass so viel Schmerz in ein gerade mal sechsjähriges Kind passen könnte. Ihn jetzt sehen zu müssen, fühlte sich unerträglich an. Zwangsläufig drängte sich mir die Frage auf: Wenn das ihr wirkliches Gesicht war, ein Gesicht, das viel zu alt für diesen jungen Körper schien, welche Kraft musste sie dann aufbringen, wenn sie vor uns lachte? Oder ließ der bunte Alltag auf der Erde Hope tatsächlich ein paar Stunden am Tag vergessen? Ich fand keine Antwort und somit auch keinen Rat, wagte jedoch nicht, sie zu fragen. Meine Angst, ich könnte damit noch schlimmere Erinnerungen in ihr wachrufen, war einfach zu groß.
    Ich tauchte ein in ihren Kummer. Wasser umspülte unsere Füße, als ich mich neben sie kniete und sie in die Arme schloss. Hope aber verharrte reglos, so, als hätte ich sie gar nicht berührt, bis ich wie aus dem Nichts heraus von hinten den Schlag einer Welle abbekam und es schwarz um mich wurde!
    Lautes Tosen umgab mich. Rauschendes Wasser drang in meine Nase und die Ohren. Ich wurde zurückgerissen, immer wieder auf- und abgezerrt. Die Brandung schleuderte meinen Körper umher. Ich war ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Einmal gelang es mir, kurz den Kopf aus dem Wasser zu strecken. Ich schnappte nach Luft. Da brach erneut eine mächtige Welle über mir zusammen. Erbarmungslos zog sie mich unter Wasser. Ich schlitterte mit den Knien schmerzhaft über den Sand. Salz brannte in meinen Abschürfungen. Das Meer fraß mich auf! Pumpte sich in meinen Körper. Wehrlos ergab ich mich seiner Gewalt, spürte, wie es in meine Lungen drang.
    Irgendwann ließ das Tosen nach, verwandelte sich in falsches, scheinfrommes Säuseln. Ein letztes Mal wurde ich vor- und zurückgezogen. Weiche Schaumkronen umspülten meinen Körper. Die See beruhigte sich und gab mich wieder frei. Wackelig setzte ich einen Fuß auf den Boden, richtete mich prustend auf, fiel wieder hin, schleppte mich zum Strand und rang nach Luft.
    »Hope?«, fragte ich schwach.
    Keine Antwort.
    »Hope?«
    Wieder nichts.
    Ich riss die salzverkrusteten Augen auf.
    Meine Blicke flogen über den Strand. Ich konnte sie nirgends sehen. Mein Gott, ich konnte sie nicht sehen!
    »HOOOPE!!!«
    Ich drückte mich vom Boden hoch, war auf den Knien und kam irgendwie zum Stehen. Panisch hastete ich am Wasser entlang. Das Salz in meinen Schürfwunden merkte ich nicht mehr. »HOPE! HOOOPE! HOOOOOOPE!« Ich wurde immer schneller.
    Nein! Irgendwo musste sie doch sein. Sie musste einfach!!!
    Meine Augen glitten bangend auf die See hinaus, die in meinen Ohren Unheil verkündend grollte.
    »Hope, wo bist du?«
    Da vorn, da lag – ihre Puppe. Zitternd schlug ich die Hände vor den Mund. Das konnte nicht sein. Es durfte einfach nicht!
    »HOOOOOPE!!!«
    Ich sprang ins Wasser. Stolperte über Steine und Treibholz. Die Brandung knurrte wie ein
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