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Das Verlorene Symbol

Das Verlorene Symbol

Titel: Das Verlorene Symbol
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einer samtenen Binde die Augen verbunden, hatte ihm einen zeremoniellen Degen an die bloße Brust gehalten und ihm die Frage gestellt: »Erklären Sie aufrichtig bei Ihrer Ehre, unbeeinflusst von Gewinnstreben oder anderen unwürdigen Motiven, dass Sie aus freiem Entschluss und Willen Aufnahme in diese Bruderschaft begehren?«
    »Ja«, hatte der Suchende gelogen.
    »Dann möge dies ein Stich für Ihr Gewissen sein«, hatte der Meister ihn gewarnt, »und desgleichen sofortiger Tod, sollten Sie je die Geheimnisse verraten, die man Ihnen anvertrauen wird.«
    Damals hatte er keine Furcht verspürt. Sie werden meine wahre Absicht niemals erkennen.
    Am heutigen Abend jedoch glaubte er eine düstere, bedrohliche Stimmung im Tempelsaal wahrzunehmen, einen ahnungsvollen Ernst. Schaudernd musste er an die grausamen Strafen denken, die ihm auf seiner bisherigen Reise angedroht worden waren für den Fall, dass er eines der uralten Geheimnisse verriet, die man ihm anvertraut hatte: Der Hals durchschnitten von Ohr zu Ohr … die Zunge bei der Wurzel ausgerissen … die Eingeweide herausgerissen und verbrannt … in die vier Winde des Himmels zerstreut … das Herz aus der Brust gerissen und streunenden Tieren zum Fraß vorgeworfen …
    »Bruder«, sagte der grauäugige Meister und legte dem Anwärter die linke Hand auf die Schulter. »Sprechen Sie den letzten Eid.«
    Der Anwärter wappnete sich für den abschließenden Schritt seiner Reise, straffte seine kräftige Gestalt und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Totenkopf zu, den er noch immer in Händen hielt. Der rote Wein in der Schädelhöhle sah im matten Kerzenlicht fast schwarz aus. Tiefes Schweigen hatte sich über den Tempelsaal gesenkt. Der Anwärter spürte beinahe körperlich, wie die aufmerksamen Blicke sämtlicher Zeugen auf ihm ruhten, wie diese darauf warteten, dass er den letzten Eid ablegte und sich ihren Reihen hinzugesellte, den Reihen der Auserwählten.
    Heute Abend, ging es ihm durch den Kopf, wird in diesen Mauern etwas geschehen, was es in der Geschichte dieser Bruderschaft noch nie gegeben hat, nicht ein einziges Mal in all den Jahrhunderten …
    Er wusste, es würde der entscheidende Funke sein, und es würde ihm unermessliche Macht verleihen.
    Mit neuem Mut holte er tief Atem und sprach laut dieselben Worte, die zahllose Männer vor ihm in allen Ländern der Erde gesprochen hatten:
    »Möge dieser Wein, den ich nun trinke, mir ein tödliches Gift werden … sollte ich je wissentlich oder willentlich meinen Eid verletzen.«
    Seine Worte hallten von den hohen Wänden wider. Dann breitete sich tiefe Stille aus.
    Mit ruhigen Händen hob der Anwärter den Schädel an den Mund und spürte, wie seine Lippen das trockene Gebein berührten. Er schloss die Augen, hob den Schädel an und trank in langen, tiefen Schlucken. Als der letzte Tropfen getrunken war, ließ er den Totenschädel sinken …
    … und bekam plötzlich keine Luft mehr, während sein Herz wild zu pochen begann und seine Hände zitterten. Für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen.
    Mein Gott, sie wissen Bescheid!
    Dann schwand das beängstigende Gefühl so schnell, wie es gekommen war.
    Eine angenehme Wärme durchströmte den Körper des Anwärters. Er atmete aus und lächelte in sich hinein, als er zu dem grauäugigen Mann aufblickte, der so arglos gewesen war, ihn in die allergeheimsten Ränge der Bruderschaft aufzunehmen.
    Bald wirst du alles verlieren, was dir lieb und wert ist.

KAPITEL 1
    Im Otis-Aufzug an der Südseite des Eiffelturms drängten sich die Touristen. In der beengten Kabine blickte ein seriös gekleideter Herr auf den Jungen neben ihm hinunter. »Du siehst blass aus. Du hättest lieber unten bleiben sollen.«
    »Mir geht's gut …«, antwortete der Junge, bemüht, seine Angst in den Griff zu bekommen. »Ich steig auf der nächsten Etage aus.«
    Der Mann beugte sich tiefer zu dem Jungen. »Ich dachte, du hättest deine Angst überwunden.« Er strich dem Kind zärtlich über die Wange.
    Der Junge schämte sich, weil er seinen Vater enttäuscht hatte, doch durch das Klingeln in seinen Ohren konnte er kaum etwas hören.
    O Gott, ich krieg keine Luft! Ich muss hier raus!
    Der Fahrstuhlführer sagte irgendetwas Beruhigendes über Pendelschaftkolben und Puddeleisenkonstruktion, doch der Junge blickte voller Furcht auf die Straßen von Paris, die sich tief unter ihnen in sämtliche Richtungen erstreckten.
    Wir sind fast da, sagte er sich im Stillen, legte den Kopf in
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