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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land
Autoren: J Birmingham
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des Tals werden zahlreiche Tiere ertrinken und wir mit ihnen.«
    Der herannahende Sturm schien sein Argument zu unterstützen, indem er genau in diesem Moment eine Kanonade von Donner und Blitzen von sich gab.
    »Wie weit ist denn die nächste Stadt oder Siedlung entfernt, wissen wir das?«, fragte Miguel. Ein kalter Wind hob sich und trieb Blätter und Geäst und einige herausgerissene kleine Pflanzen Richtung Westen, während das Sturmzentrum tief einzuatmen schien. Die Rinder, bemerkte er, liefen jetzt eiliger, trabten schon und gaben weiterhin lautes ängstliches Gebrüll von sich.
    »Es ist nichts in der Nähe, nicht im Umkreis von zwanzig Kilometern und schon gar nicht auf höher gelegenem
Gebiet«, sagte Aronson, ohne nochmal auf die Karte zu schauen. »Es gibt nur ein kleines Dorf an einer Kreuzung. Ich weiß nicht, ob es Schutz vor einer Flut bietet, aber zumindest steigt das Gebiet in diese Richtung an.«
    Er deutete mit dem Kopf nach Norden.
    »Dann sollten wir uns beeilen«, sagte Miguel und schaute D’Age auffordernd an. Er hatte den Eindruck gewonnen, dass der jüngere Mormone der Vorsichtigere und Vernünftigere der beiden war, was vielleicht auch mit den Vorfällen in Crockett zu tun hatte. Miguel ließ sein Pferd in einen leichten Galopp fallen, damit sie mit der Herde und den anderen Reitern Schritt halten konnten.
    Die Sturmfront schob sich jetzt vor die Sonne, die Umgebung verdunkelte sich, und es wurde schlagartig kälter. Der erste Donnerschlag krachte in ihrer Nähe, die Herde lief immer schneller, und das Geräusch ihrer Hufe klang wie ein Echo des Donnergrollens. Miguel warf einen weiteren Blick über das Meer aus wogenden braunen Leibern und sah, wie Sofia und Trudi sich in ihren Sätteln umdrehten und dem nahenden Sturm entgegenblickten. Seine Tochter bemerkte, wie er sie ansah, und hob den Daumen. Peitschen knallten, die Viehtreiber brüllten und bemühten sich, die Herde zusammenzuhalten. Adam und Orin ritten an ihm vorbei und taten ihr Bestes. Es war keine Kleinigkeit, eine Herde mit Tausenden von verängstigten Rindern unter Kontrolle zu halten, vor allem, wenn sie kurz davor stand, in Panik auszubrechen. Wie gern wäre er jetzt drüben bei Sofia gewesen. Und bei Trudi. Sie war wirklich ungewöhnlich. Zwar war das eigentlich nicht in Ordnung, aber er fühlte sich irgendwie zu ihr hingezogen. Die Mormonen waren anständige Männer und Frauen, wirkten aber wegen ihres Glaubens recht verkniffen. Miguel wirkte zwar nicht unbedingt so, aber er fühlte sich in der Gesellschaft von Menschen wohler, die Spaß am Leben hatten.

    RUMS!
    Der grelle Blitz und der darauffolgende Donnerschlag kamen beinahe gleichzeitig. Er spürte den Regen auf seinem Gesicht, zuerst nur wenige Tropfen, aber dann wuchs er rasch an, bis ein schwerer Wolkenbruch auf sie herniederging. Innerhalb weniger Sekunden war er völlig durchnässt. Dann hörte er abrupt auf, und ein kränkliches grünes Licht breitete sich über dem Tal aus und ließ mit einem Mal alles flach wirken, als würden sie über ein Foto aus einem Buch reiten.
    Oh, oh, dachte er.
    Das erste Hagelkorn fiel als einzelner weißer Eisklumpen auf Flossies schweißbedeckten Hals, prallte ab und fiel zu Boden. Er hatte gerade noch Zeit, sich zu ducken und den Riemen an seinem Stetson fester zu zurren, bevor die weiße Faust aus dem Himmel auf sie herabfuhr und laut aufheulend ein brutaler, wild tobender Eissturm über sie kam. Die Rinder schrien auf vor Schreck und Schmerz, und die Männer, die vor Miguel ritten, wurden von der Wucht der riesigen Eiskristalle beinahe aus dem Sattel geworfen.
    Miguel sprengte im Galopp voran und achtete nicht auf die alttestamentarische Urgewalt, die der Himmel über sie brachte. Er bemerkte den schwankenden D’Age ein Stück weiter vor ihm, jeden Moment würde er aus dem Sattel fallen. Flossie raste nun so schnell wie nur möglich voran, und Miguel konnte sich nur dank seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Viehtreiber im Sattel halten. Er erreichte den Mormonen und sah die nackte Angst in dessen Gesicht, die Angst vor dem monströsen Unwetter und den kaum noch zu bändigenden Rindern.
    Jetzt brachen die Tiere aus, waren nicht mehr aufzuhalten in ihrer Panik, stürzten voran und überrannten ihre eigenen Artgenossen, wenn die zu Boden gegangen waren, und ihre Schreie klangen wie das wilde Tuten von Tausenden
von Geisterzügen, die durch einen Alptraum rasten. Miguel beugte sich zu D’Ages Pferd hinüber und war kaum noch in
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