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Das verlorene Ich

Das verlorene Ich

Titel: Das verlorene Ich
Autoren: Vampira VA
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wankte wie ein Halm im Wind. Ein zusätzlicher Tritt traf die Wanne, in der er einzementiert stand. Das Behältnis rutschte knirschend nach vorne, kippte, unendlich langsam. Eine halbe Sekunde lang schien es in der Schräglage bleiben zu wollen.
    »Verflucht seist du!« brüllte Hector Landers. »Ich -«
    Der Rest seiner Worte ging unter. Buchstäblich.
    Die schwarzen Wasser der Seine schlugen über ihm zusammen.
    * Ein Geschmack wie von verfaultem Fleisch drängte in Landers' Mund - und tausend andere folgten ihm.
    Wie ein Stein sank er in lichtlose Tiefen. Automatisch vollführte er Schwimmbewegungen mit den Armen, die seinen Abwärtstrieb indes kaum bremsten.
    Dann war sein seltsam schwebender Sturz zu Ende. Mit einem dumpfen Laut versank die betongefüllte Wanne an seinen Füßen im Flußgrund. Schlamm wölkte auf und hüllte ihn ein, verstärkte den gräßlichen Geschmack in Landers' Mund noch.
    Seine Lungen begannen zu brennen. Der Drang zu atmen wuchs. Doch noch widerstand er ihm. Wie lange noch?
    Minuten vergingen.
    Und Hector Landers wunderte sich.
    Müßte er nicht längst erstickt, ertrunken sein? Wie lange konnte ein Mensch die Luft anhalten - oder unter Wasser überleben? Sechs Minuten? Acht? Keinesfalls länger, glaubte er.
    Etwas berührte ihn.
    Treibgut?
    Nein! Denn das Etwas hielt sich an ihm fest. Packte ihn. Zog und zerrte an ihm!
    Die Finsternis um ihn her war absolut. Nicht einmal seine Augen vermochten hier auch nur das Allergeringste zu sehen.
    Wie von selbst bewegten sich seine Arme, wie die Flügel eines unbeholfenen Vogels, während die Hände aus dem Nichts seinen Aufwärtsdrang unterstützten.
    Trotzdem dauerte es noch quälend lange, bis sein Kopf endlich durch die Flußoberfläche stieß.
    * Daß er noch lebte, war eines der Dinge, die Hector Landers nicht verstand.
    Weshalb und wie ihm jener alte Mann zu Hilfe gekommen war, ein anderes. Er wirkte auf ganz ähnliche Weise verbraucht und verlebt wie jene Simone, deren kurze Bekanntschaft er gemacht hatte. Und doch mußte eine Kraft in diesem totenbleichen Körper stecken, die über die eines jungen, gesunden Menschen weit hinausging.
    Noch hatte Landers keine Gelegenheit gefunden, um Fragen zu stellen. Kaum hatte der Fremde ihn aus dem Fluß gezerrt, war er auch schon verschwunden. Landers hatte gesehen, wie der andere auf ein verlassenes Boot, das in der Nähe am Ufer dümpelte, gestiegen war. Wenig später war er mit allerlei Werkzeug beladen zurückgekommen. Und damit machte er sich nun an dem Beton zu schaffen, in dem Landers immer noch steckte.
    »Wer bist du?« fragte er den Alten auf den Kopf zu.
    Der sah erstaunt auf. »Was soll die Frage? Kennst du mich denn nicht mehr - Meister?« Er schien ehrlich verwirrt.
    »Wie ist dein Name?« fragte Landers.
    »Jerome.«
    Landers zuckte zusammen.
    »Jerome Vautier?« fragte er dann nach. Das konnte doch nicht sein! Er selbst hatte das Grab dieses Jerome Vautiers gesehen - wenn auch offen und verlassen ...
    »Herr, ich verstehe deine Fragen nicht. Was ist mit dir geschehen?« erkundigte Vautier sich, ernsthaft besorgt.
    »Verrate du es mir«, verlangte Landers. »Wie ist mein Name?«
    »Hector Landers, Herr.«
    »Warum nennst du mich Herr?«
    »Weil du es bist«, erwiderte der andere demütig. »Der Herr, der mir dieses Leben geschenkt hat.«
    »Wann und wie?«
    »Damals«, antwortete Jerome Vautier und sah zum gewitterdunklen Himmel auf, »in einer Nacht wie dieser .«
    Und er begann zu erzählen. Immer weiter ausholend, je mehr Fragen Hector Landers stellte. Jerome berichtete von den Experimenten, die sein Vater vornehmen ließ, und davon, daß Landers ein Geschäft mit ihm abgeschlossen hatte. Ein weiterer Begriff tauchte in diesem Zusammenhang auf, mit dem Hector Landers nichts anzufangen wußte - der Lilienkelch ...
    »Weiter!« verlangte er.
    Und Jerome kam auf jene Nacht zu sprechen. Er hatte Landers aufgesucht, der geheimnisvollen Substanz wegen, die er für die Forschungen zur Verfügung gestellt hatte. Und Jerome hatte gesehen, woher diese Substanz stammte.
    »Aus meinen Adern?« fragte Landers verwundert. »Du meinst, es war - mein Blut?«
    Jerome nickte. »Ja, Herr. Und daraufhin hast du mich dein wahres Wesen schauen lassen. Zuerst war es natürlich schrecklich. Bis du mich umbrachtest ...«
    »Das kann nicht sein!« fuhr Landers auf.
    Stumm wies Jerome auf das Mal, das er seither am Halse trug.
    Die Schlußfolgerung, die sich daraus ergab, schien Landers so unmöglich, daß er
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