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Das verlassene Boot am Strand

Das verlassene Boot am Strand

Titel: Das verlassene Boot am Strand
Autoren: Scott O'Dell
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angezündet. Rundherum lagen Nester aus getrocknetem Seetang, und in den Nestern Schwalben, die Karana am Strand aufgelesen hatte. Obwohl es Frühling war, hatte ein kalter Wind alle Insekten getötet, von denen die Schwalben sich ernähren. Auf dem Weg zur Höhle hatte ich beobachtet, wie die Schwalben zwischen den
    Felsen nach Futter suchten, und daß überall tote Vögel lagen.
    Karana konnte die verhungernden Vögel auch nicht retten, aber sie hatten es hier warm, bis sie sterben mußten. Dann zog der kalte Wind ab; ein warmer Wind folgte. Die Schwalben fanden wieder Futter und bauten überall ihre Nester.
     

28
     
    An einem schönen Frühlingstag versammelte »Steinerne Hand« eine Gruppe junger Männer und Mädchen um sich, die nicht mit Pater Malatesta und seinen vielen Vorschriften einverstanden waren, und wanderte mit ihnen nach Norden. Mando zog mit ihnen. Er sagte mir, er wolle nur eine Weile bei »Steinerner Hand« bleiben und dann an die Küste gehen.
    »Vielleicht treffe ich in Monterey den Kapitän der Boston Boy , und vielleicht gibt er mir Arbeit an Bord. Wenn er nicht dort ist, macht es auch nichts. Es gibt genug andere Yankee-Schiffe, und ich werde mir eines suchen, wo ich meine Fähigkeiten nutzen kann. Die Leute sagen schließlich, ich hätte viele Fähigkeiten.«
    »Du wirst noch mehr haben, wenn du von deinen Reisen heimkehrst, Mando. Ich wünsch' dir viel Glück, und möge Gott dich begleiten.«
    »Auch Koyote und Mukat werden mit mir sein«, sagte Mando und ging davon, um die Welt zu erobern.
    An diesem Abend wurde Karana wieder krank, und am nächsten Morgen fragte ich unsere Aufseherin, ob ich mit Pater Malatesta sprechen könne.
    »Meine Tante ist krank«, erklärte ich ihr.
    »Wo ist sie?« fragte Señora Gallegos.
    »Am Strand.«
    »Sag' ihr, sie soll in die Mission kommen, dann wird sie behandelt.«
    Ich ging in Pater Malatestas Büro und wartete dort drei Stunden. Endlich erschien der junge Pater, der mit Pater Malatesta aus Mexiko gekommen war, und fragte mich, was ich wollte.
    »Meine Tante Karana ist krank.«
    Der junge Pater entschuldigte sich, weil das Büro noch nicht ordentlich eingerichtet war. »Die Möbel kommen erst aus Mexiko City. Aber warum wird deine Tante nicht behandelt?«
    »Weil sie nicht in der Mission ist.«
    »Und wo ist sie?«
    »Am Strand«, sagte ich wieder, ohne nähere Angaben zu machen.
    »Warum ist sie am Strand?« fragte er.
    »Weil Pater Malatesta ihr befohlen hat, im Schlafsaal ohne ihren Hund zu schlafen.«
    »Dort müssen alle Mädchen schlafen.«
    Ich erklärte ihm, daß Karana erst vor kurzer Zeit von einer fernen Insel gekommen war und daß sie fast ihr ganzes Leben lang allein dort gelebt hatte. »Sie ist an unsere Lebensweise nicht gewöhnt«, schloß ich.
    Der junge Pater stand auf und schaute zur Tür hinaus. »Aber sie muß sich daran gewöhnen. Deshalb haben wir ja diese Mission gegründet. Es kann nicht jeder tun, was er gerade möchte. Und ein Hund gehört nicht in den Schlafsaal.«
    »Meine Tante wird sich schon noch an das Leben in der Mission gewöhnen. Aber jetzt ist sie krank.«
    »Wenn sie am Strand bleibt, können wir nichts für sie tun.«
    »Sie wird nicht herkommen«, sagte ich.
    Der junge Pater setzte sich hinter den Schreibtisch und begann, ein Bündel Papiere zu ordnen.
    Er schob die Papiere in eine Schublade, lehnte sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte auf die Decke. »Ist deine Tante nicht ganz richtig im Kopf?«
    »Doch«, antwortete ich schnell. »Sie ist nur an unsere Lebensweise nicht gewöhnt. Es wird noch viele Monde dauern, bis sie sich hier eingewöhnt haben wird. Ich bin schon lange Zeit hier, und ich habe mich auch noch nicht an alles gewöhnt.«
    »Du hast dich auch noch nicht eingewöhnt? Das muß wohl in eurer Familie liegen.«
    »Ich bin freiwillig hergekommen«, sagte ich. »Ich war glücklich in meinem Dorf in den Bergen. Vielleicht werde ich eines Tages auch hier glücklich sein, auch wenn ich immer nur das tun darf, was mir befohlen wird. Als Pater Vinzenz noch hier war, gefiel es mir in der Mission, weil ich ihn gern hatte. Ich hatte auch Gott gern, und die Heilige Jungfrau.«
    Das hätte ich nicht sagen sollen. Der junge Pater wurde ärgerlich und bekam ein rotes Gesicht. Er stand auf, ging zur Tür und sagte: »Wir werden uns überlegen, was wir für deine Tante tun können, die nicht in einem schönen, sauberen Schlafsaal und ohne ihren Hund schlafen kann. Ich werde es mir
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