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Das Verhör

Das Verhör

Titel: Das Verhör
Autoren: Robert Cormier
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verhalten sollst. Welche Strategie zu verfolgen ist. Ich will dir helfen, Jason.«
    »Wie können Sie mir schon helfen?«, fragte Jason verwirrt und konnte kaum glauben, was er da gefragt hatte.
    »Zunächst mal dürfen keinerlei Täuschungsmanöver vorkommen. Wir müssen ehrlich und geradeheraus sein. Schlichte, einfache Worte... Bist du katholisch, Jason?«
    »Wir - meine Mutter, mein Vater, meine Schwester und ich -, wir gehen fast jeden Sonntag zur Kirche.«
    »Dann kennst du dich mit Beichte und Absolution also aus.«
    »Ja. Aber ich hab erst ein paar Mal gebeichtet. Jetzt war ich schon eine ganze Weile nicht mehr bei der Beichte.«
    »Du weißt aber, wie das alles funktioniert. Dass man erst beichtet und dann die Absolution erhält. Man muss seine Sünden erst gestehen, bevor sie einem verziehen werden.«
    Jason nickte und fragte sich, was der katholische Glaube und die Beichte mit dieser Situation hier zu tun hatten, mit der üblen Lage, in der er sich plötzlich befand.
    »Also, da gibt es etwas, was du erst tun musst, bevor wir Schritte unternehmen können, um dich zu schützen.«
    Von irgendwo in Jasons Kopf, seinem Körper oder seinem Geist kam ein unbestimmtes Warnsignal - er war sich nicht sicher, was es war und woher es kam, aber es gab ihm plötzlich einen Ruck, der ihm durch und durch ging.
    Gestehen. Ein anderes Wort für beichten. Mit einem Mal erkannte er, worauf der Mann hinauswollte. Er wollte, dass Jason gestand. Ein Geständnis ablegte, Alicia Bartlett umgebracht zu haben. Vor ungläubigem Staunen hätte Jason fast gekichert, eine Reaktion, die so unbeabsichtigt und unerwartet war wie ein Rülpsen.
    »Sie wollen, dass ich sage, ich hätte Alicia Bartlett umgebracht?«
    Entsetzen in der Stimme, Fassungslosigkeit.
    »Wenn du dieses Zimmer jetzt verlässt, in diesem Augenblick, ohne etwas eingestanden zu haben dann lässt sich nicht absehen, was dich draußen erwartet. Zornige Menschen können sehr hässlich werden. Es braucht nicht viel, um Aufruhr auszulösen...«
    »Dann sagen Sie mir, was geschieht, wenn...« Er brachte es nicht über sich, das Wort zu sagen. Würde das Wort nie und nimmer aussprechen. Würde nie und nimmer das tun, was das Wort ihm abverlangte.
    »Ich hätte dann deine Stimme auf Band«, sagte Trent und wies auf den Kassettenrekorder und das pulsierende grüne Lämpchen. »Und ich würde hinausgehen und als dein Vermittler auftreten. Den Behörden da draußen die mildernden Umstände mitteilen. Ihnen sagen, dass du kooperativ bist. Alles wird im bestmöglichen Licht dargestellt... Die Atmosphäre wäre dann freundlich, nicht feindselig. Niemand wäre darauf aus, dich für den Rest deines Lebens ins Gefängnis zu sperren. Man wird alles berücksichtigen und dir Verständnis entgegenbringen. Dir hilfreiche Hände entgegenstrecken. Es ist durchaus möglich, dass du heute nach Hause gehen kannst, zu deiner Familie. Die Anklagepunkte können möglicherweise abgemildert werden. Alle möglichen guten Dinge können passieren, ganz im Gegensatz zum schlimmsten Fall - ein Leben im Gefängnis, fort von deiner Familie, gehasst von allen Leuten in der Stadt, von deinen Schulkameraden. Wenn du deine Tat bekennst, können wir dich vor alldem bewahren.«
    »Aber das kann ich nicht machen.«
    »Ich will dir die Situation noch mal in aller Deutlichkeit vor Augen führen, Jason. Hinter dieser Tür warten Polizeibeamte darauf, dich des Mordes an Alicia Bartlett zu beschuldigen. Sobald du hier hinausgehst, hast du keinen Schutz mehr. Dein Alter kann dich auch nicht retten. Es gibt jetzt ein Gesetz, nach dem Jugendliche wie du nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden können. Das bedeutet lebenslänglich Gefängnis ohne die Aussicht auf Entlassung und Straferlass - oder noch Schlimmeres. Und man wird dich als Mörder betrachten. Ohne Abstriche. Aber es besteht die Möglichkeit, das Urteil zu mildern.«
    »Wie?«
    »Indem du zeigst, dass du kein kaltblütiger Mörder bist. Indem du zeigst, dass du Alicia nichts Böses tun wolltest, dass dir Leid tut, was passiert ist...«
    »Aber ich hab sie nicht umgebracht.«
    »Ich weiß, ich weiß. Verleugnung gehört zum Abwehrmechanismus. Weil du es nicht tun wolltest, setzt dein Unterbewusstsein das in den Glauben um, es auch nicht getan zu haben. Das ist absolut nachvollziehbar, Jason. Was du in einem unbesonnenen Augenblick getan hast, wird aus deinem Gedächtnis gelöscht, und du redest dir ein, du hättest es nicht getan.«
    »Aber ich hab's nicht
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