Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verhör

Das Verhör

Titel: Das Verhör
Autoren: Robert Cormier
Vom Netzwerk:
Vernehmung: Trent. Vernommene Person: Dorrant. Jason Dorrant. Armer Junge, aber wenigstens war er jung und frei, nicht gefangen und gefesselt in der Zeit, wie in Bernstein eingeschlossen und erstarrt. So wie viele andere. Wie zum Beispiel ich.
    Du bist, was du tust, hatte Lottie gesagt.
    Aber ab jetzt tu ich gar nichts.

 
     
    Nach etwa einer Woche hörten die Albträume auf, und er war sich nicht sicher, ob es wirklich Albträume gewesen waren oder einfach nur schlimme Träume. Sein Vater sagte, Albträume wären solche Träume, in denen man träumt, dass man wach ist und einem schreckliche Dinge widerfahren und es keinen Ort gibt, wo man sich hinflüchten kann. Schlimme Träume waren genau das: Träume, die schlimm waren.
    Jasons Träume waren schlimm, aber er konnte sich hinterher nie an sie erinnern, nur an das Gefühl, das sie mit sich brachten, wenn er aufwachte. Das Gefühl, dass jemand oder etwas Jagd auf ihn machte und er aus irgendeinem Grund nicht laufen konnte. Seine Beine waren wie erstarrt, und wenn sie nicht erstarrt waren, dann war es so, als versuchte er, durch tiefes Wasser zu laufen. Aber nichts Spezifisches. Und selbst das Wort spezifisch jagte ihm Angst ein.
    Aber die eigentliche Angst ging von einem anderen Gefühl aus, und das ließ sich nur schwer beschreiben. Es fiel ihm schwer, selbst dem Arzt davon zu erzählen. Ein Gefühl, dass er gar nicht wirklich hier auf der Welt war, nicht so wie die anderen Menschen, dass er mit den anderen nicht in Verbindung treten konnte, so als wäre er außerhalb des Kontexts, zu dem sein Haus, seine Familie und der ganze Rest der Welt gehörten.
    Spezifisch und Kontext- Wörter, die ihn in Angst und Schrecken versetzten, weil sie ihn in das enge Büro zurückholten, zu dem Mann, der Trent hieß, und zu der Tat, von der er sagte, dass Jason sie begangen hätte, obwohl er's doch gar nicht getan hatte.
    Aber daran wollte er nicht denken.
    Er wollte nicht daran denken?
    Nein, er wollte nicht daran denken.
    Aber er wusste, dass ihm nichts anderes übrig blieb.
    Er musste daran denken, was er getan hatte. Nein, nicht an das, was er getan hatte, sondern an die Tat, von der Trent sagte, er hätte sie begangen, obwohl er's doch gar nicht getan hatte.
    Manchmal halfen die Tabletten, aber er nahm sie nicht gern, weil er davon Ohrensausen bekam und sie ihm auch nicht das Gefühl nahmen, gar nicht richtig da zu sein. Ja, natürlich wusste er, dass er da war, hier im Haus oder draußen auf der Terrasse und nächste Woche wieder in der Schule, aber trotzdem fühlte er sich nicht richtig da, so als wäre nichts wirklich, und zugleich wusste er, dass es kein Traum war.
    Er war nicht gern allein. Mochte es nicht, wenn niemand um ihn war. Zum Beispiel jetzt hier im Haus, mit seinem Vater auf der Arbeit und seiner Mutter im Gemeindezentrum und Emma irgendwo unterwegs. Kommst du auch wirklich zurecht, Jason?, hatte seine Mutter gefragt, mit diesem besorgten Gesichtsausdruck, ein Ausdruck, den sie in letzter Zeit ständig hatte. Klar, alles bestens, hatte er gesagt, weil er nicht wollte, dass sie sich Sorgen machte. Niemand sollte sich Sorgen machen, er war derjenige, der diese schreckliche Tat begangen hatte, und er wollte die Schuld seiner Tat ganz allein tragen.
    Aber ich hab doch gar nichts getan.
    Doch.
    Aber er könnte doch niemals so etwas tun, nicht die Tat begehen, die er zugegeben hatte, weil Mr Trent ihn dazu gebracht hatte, sie zuzugeben.
    Aber wie hatte Mr Trent ihn dazu bringen können, zu sagen, er habe die Tat begangen, wenn er's doch gar nicht getan hatte? Wenn er so etwas niemals tun könnte. Nie und nimmer. Nie im Leben.
    Nie?
    Aber wenn du gesagt hast, du hättest es getan, dann könntest du es vielleicht auch tun. Vielleicht könntest du so etwas Schreckliches tun. Vielleicht hast du tief in deinem Inneren, an jener geheimen Stelle, genau gewusst, dass du so etwas tun könntest.
    Aber wie könnte ich so etwas tun?
    Nicht wie, sondern warum.
    Okay, wie und warum sollte ich so etwas tun?
    Pass auf, du hast doch schon gesagt, dass du's getan hättest, dass du's der kleinen Alicia angetan hättest. Dabei hättest du ihr nie und nimmer so etwas antun können. Aber wie wär's mit jemandem, bei dem du's könntest ?
    Wer denn zum Beispiel?
    Zum Beispiel - ach, vielleicht Bobo Kelton.
    Ja, Bobo Kelton.
    Siehst du, du hast ja schon gesagt, dass du so etwas tun könntest. Warum tust du's dann nicht wirklich, um den anderen zu zeigen, dass du's kannst, dass das, was du
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher