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Das Verhör

Das Verhör

Titel: Das Verhör
Autoren: Robert Cormier
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Hause war, hat gesagt, dass er von mir nur wissen will, was ich am Montag auf der Straße gesehen habe. Und ich hab nichts gesehen.«
    »Ganz recht. Aber mir hat man gesagt, dass ich befugt bin, tiefer vorzudringen, wenn sich zeigt, dass du noch mehr weißt als nur das. Und im Verlauf unseres Gesprächs ist mir klar geworden, dass du noch viel mehr beizutragen hast, dass du noch viel mehr helfen kannst.«
    »Aber wie?«
    »Indem du Insiderwissen lieferst. Informationen, die ich als Außenstehender unmöglich haben kann. Und die Polizei auch nicht.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Du bist mit allen wichtigen Aspekten des Falls vertraut, Jason. Du kennst das Haus, in dem Alicia gewohnt hat, die Umgebung, den Bach, den Wald.«
    Der Junge seufzte, als er sich das, was Trent gesagt hatte, durch den Kopf gehen ließ. Schließlich nickte er. »Okay.« Dann straffte er sich, saß angespannt da, die Hände auf die Knie gelegt, den Körper leicht nach vorn geneigt. Alles Anzeichen der Unterwerfung.
    Trent wusste, dass das Katz-und-Maus-Spiel jetzt vorüber war.
    Nun muss ich da, woraus die Leitern stiegen,
    Im Lumpensammlerstank des Herzens liegen.
    »Schön«, sagte Trent. »So, jetzt lass uns über das Terrain sprechen, in dem Alicia gefunden wurde.«
    Der Junge runzelte die Stirn. »Terrain?«
    »Die Beschaffenheit des Geländes - Wald, Buschwerk, Unterholz«, erklärte Trent. »Du kennst dich dort aus?«
    »Ja«, antwortete der Junge. »Wir haben oft da gespielt. Es gibt dort einen Baseballplatz und ein paar Schaukeln und eine Rutsche für die Kleinen.«
    »Hat dir jemand erzählt, wo genau Alicia gefunden wurde?«
    »Jemand hat gesagt, das war ein paar Schritte vom Weg entfernt, bei einigen Bäumen. Es hieß... es hieß, dass sie mit Zweigen und Blättern und lauter so Sachen zugedeckt war.«
    Trent registrierte, dass der Junge sich ein wenig verhaspelt hatte und dass er das Wort Leiche vermied, was durchaus angemessen war. Auch Trent hatte darauf verzichtet, um es dem Jungen leichter zu machen.
    »Was weißt du von dem Gelände? War dort loser Kies oder Gras? War es felsig? Überwuchert?«
    Der Junge zuckte mit den Schultern. »Einfach nur... Boden. Waldboden eben.«
    »Steine, Felsen?«
    »Ich glaub schon. Ich weiß noch, dass ich einmal über einen großen Stein gestolpert bin, als ich in den Wald hineinging, um...« Jason hielt inne, wollte nicht zugeben, dass er zum Pinkeln in den Wald gegangen war.
    »Um dich zu erleichtern?«, half Trent ihm aus.
    »Ja.« Jason spürte, wie seine Wangen sich erhitzten, und er fragte sich, ob er wohl rot wurde, so wie in der Schule.
    »Viele Steine und Felsen, ja?«
    »Ja.«
    In dem sicheren Wissen, dass der Junge die gewünschte Antwort geben würde, fragte Trent: »Was meinst du, welche Waffe verwendet wurde, Jason?«
    »Keine Ahnung.«
    Trent wartete.
    »Ein Stein?«, fragte der Junge.
    Trent verkniff sich ein triumphierendes Grinsen und sagte beiläufig: »Es könnte auch ein Hammer gewesen sein. Wenn der Täter einen Hammer dabeihatte. Wenn die Tat vorsätzlich begangen wurde.«
    »Vorsätzlich?« Jason kannte das Wort und wusste, was es bedeutete, hatte es schon tausendmal im Fernsehen gehört, konnte es aber mit dem, was Alicia widerfahren war, nicht in Zusammenhang bringen.
    »Ich meine«, sagte Trent, »wenn jemand den Mord an Alicia im Voraus geplant hatte. Aber ich glaube nicht, dass es so war. Und du?«
    Der Mord an Alicia im Voraus geplant? Jason schüttelte den Kopf, als er diese Möglichkeit erwog.
    »Nein«, sagte er.
    »Ich glaube, es könnte aus dem Augenblick heraus geschehen sein. Nicht gerade ein Unfall, aber sicherlich nicht geplant, für den Täter womöglich genauso überraschend wie für Alicia.«
    Selbstverständlich vermied er das Wort Mörder.
    »Und wenn es so passiert ist, ganz spontan, nicht geplant, rückt das diese Tragödie in ein gänzlich neues Licht.«
    Jason runzelte die Stirn, wusste nicht so recht, was Mr Trent meinte. »Das versteh ich nicht.«
    »Ich meine Folgendes: Wenn zum Beispiel du, Jason, etwas Schreckliches getan hättest, wenn du zum Beispiel Alicia ohne Vorsatz getötet hättest, ohne es vorher geplant zu haben, sondern in einem Augenblick der Panik oder in einem plötzlichen Wutanfall - dann würde das einen großen Unterschied dabei machen, wie der Fall behandelt wird. Wir würden mildernde Umstände einräumen. Das wäre dann kein Mord. Vielleicht warst du zum Zeitpunkt der Tat völlig durcheinander und aufgewühlt. Die Polizei
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