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Das verflixte 4. Schuljahr

Das verflixte 4. Schuljahr

Titel: Das verflixte 4. Schuljahr
Autoren: Martin Kohn
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fürchten, bei einer Drei versagt zu haben. Wieder andere resignieren, indem sie sich sagen »Ich kann machen, was ich will, das schaffe ich sowieso nicht!«
    Sehr viele Eltern wünschen sich für ihr Kind den Übertritt auf das Gymnasium und – auf lange Sicht – das Abitur als Eintrittskarte für ein Studium an der Universität oder eine andere qualifizierte Berufsausbildung. Dabei vergessen sie vielfach, dass bei Weitem nicht alle Kinder das Gymnasium auch mit dem Abitur abschließen. So wechselt jeder Zehnte noch in der Mittelstufe auf eine andere Schulform, weil ihn das Gymnasium schlichtweg überfordert.
    »Mir läuft heute noch ein kalter Schauer über den Rücken, wenn ich an meine Mathe-Stunden auf dem Gymnasium denke.« Leonie senkt ihren Blick zu Boden. Viel lieber erinnert sie sich an ihre Grundschulzeit. Gerne ging sie dorthin, hatte schnell viele Freunde gefunden. Außerdem machte es ihr Spaß, neue Dinge zu lernen. Stolz war sie, als sie das kleine Einmaleins fehlerlos aufsagen konnte. Ihre Grundschullehrerin war auch sehr zufrieden mit Leonies Leistung, gab ihren Eltern aber zu bedenken, dass sie es etwas schwer haben könnte auf dem Gymnasium. Leonies Mutter erinnert sich: »Wir haben es unserer Tochter freigestellt, auf welche Schule sie gehen möchte. Da aber ihre beste Freundin auf das Gymnasium wechselte, wollte sie natürlich auch unbedingt dorthin. Also haben wir sie gelassen.«
    Wie in Leonies Fall werden alle Eltern rechtzeitig vor dem Übergang auf eine weiterführende Schule zu einem Beratungsgespräch an die Grundschule eingeladen. In diesem Gespräch informiert der Klassenlehrer über die seines Erachtens nach zu empfehlende weiterführende Schule.
    Leonie entschied sich also für das Gymnasium. Aus der anfänglichen Euphorie wurde aber nach und nach eine immer stärker werdende Lustlosigkeit. Erst schob sie es auf die »blöden Mitschüler«, dann auf die Lehrer. »Wir dachten erst, sie würde gemobbt«, fasst ihr Vater seine ersten Gedanken zusammen. »Dass sie aber einfach Angst vor der Schule hatte, haben wir erst am Ende der 6. Klasse gemerkt.« Weil sie nicht mehr mit dem Unterricht mitkam, war auf einmal Leonies Versetzung gefährdet.
    Ihr Klassenlehrer lud Leonie und ihre Eltern zu einem ausführlichen Beratungsgespräch in die Schule ein und schlug ihnen den Wechsel auf die Realschule vor. »Zuerst wollten wir das gar nicht wahrhaben«, räumt Leonies Vater ein. »Leonie wollte doch unbedingt auf das Gymnasium, und in der Grundschule war sie doch so eine eifrige Schülerin, die gerne zur Schule ging. Außerdem wollten wir sie nicht aus ihrem Freundeskreis herausholen, die ja alle in ihre Klasse gingen.«
    Dieses Argument hatte ihr damaliger Klassenlehrer schon oft gehört. Dabei ist es erwiesen, dass Freundschaften bei einem zu großen Unterschied in der schulischen Leistung häufig sowieso in die Brüche gehen. Dies liegt daran, dass sich leistungsstarke Schülerinnen und Schüler in der Regel mit ähnlich leistungsstarken Kindern zusammenschließen, die oft ähnliche Interessen haben.
    Leonies Eltern mussten sich eingestehen, dass ihre Tochter auf dem Gymnasium überfordert war. Ihr Klassenlehrer konnte sie aber früh genug überzeugen, ihre Tochter auch aus anderen Gründen die Schule wechseln zu lassen: »Ein schwer erkämpftes und vielleicht durch mehrmaliges Wiederholen verspätet erreichtes Abitur garantiert bestimmt keinen guten Ausbildungsplatz. Ein solider Real- oder Hauptschulabschluss mit dem erfolgreichen Nachweis von Betriebspraktika dagegen schon eher«, waren seine Argumente.
    Das Kind darf nicht den Eindruck bekommen, ein Schulwechsel bedeute eine Abwertung seiner Person. Eltern sollten erklären, dass das Kind seine Schulzeit auf einer anderen Schule erfolgreicher und stressfreier absolvieren kann. Schließlich handelt es sich bei einem Schulwechsel nicht um eine Einbahnstraße – zu gegebener Zeit kann das Kind durchaus wieder zur alten Schulform zurückkehren.
    Bevor sich Leonie und ihre Eltern endgültig für die richtige Schule entschieden haben, konnte Leonie für ein paar Tage probeweise am Unterricht ihrer potenziellen neuen Klasse teilnehmen. Für sie war dieses Austesten eine gute Möglichkeit, herauszubekommen, ob die Schule geeignet für sie ist.
    Leonie lächelt. Heute ist Mathematik ihr Lieblingsfach an ihrer neuen Schule, einer Realschule.
    Im Mittelpunkt der Übertrittsentscheidung sollte immer das Wohl Ihres Kindes stehen. Die richtige Schule
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