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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival
Autoren: Émile Gaboriau
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vielleicht ist er ausgegangen.«
    Â»Himmel!« schrie Philippe auf. »Man hat sie alle beide umgebracht!«
    Bei diesen Worten wurden die Bediensteten, deren Frohsinn aus den vielen auf das Glück und die Gesundheit der Neuvermählten geleerten Gläser resultierte, schlagartig nüchtern.
    Monsieur Courtois jedoch schien die Reaktion des alten Bertaud zu belauern.
    Â»Ein Mord!« murmelte der Kammerdiener. »Ah, wegen des Geldes, also hat man es doch erfahren...«
    Â»Was?« fragte der Bürgermeister.
    Â»Monsieur le Comte haben gestern früh eine beträchtliche Summe erhalten.«
    Â»O ja, beträchtlich«, mischte sich eine Kammerjungfer ein, »ein ganzer Stapel Banknoten. Madame hat selbst zu Monsieur gesagt, daß sie mit einer solchen Summe im Hause diese Nacht kein Auge zutun würde.«
    Man schwieg und schaute sich einander entsetzt an. Monsieur Courtois überlegte.
    Â»Wann sind Sie gestern abend aufgebrochen?« fragte er die Dienstboten.
    Â»Um acht, nach dem Abendessen.«
    Â»Sie sind alle zusammen weggefahren?«
    Â»Ja, Monsieur.«
    Â»Sie haben sich nicht eine Minute voneinander getrennt?«
    Â»Nicht eine Minute.«
    Â»Und Sie sind alle zusammen wieder zurückgekommen?« Die Bediensteten tauschten einen vielsagenden Blick. »Alle«, antwortete die Kammerjungfer, die das Wort führte, »das heißt..., nein. Einer hat sich von uns getrennt, als wir auf dem Lyoner Bahnhof in Paris ankamen: Guespin.«
    Â»Aha.«
    Â»Ja, Monsieur, er hat sich dort von uns getrennt und gesagt, daß er später zu den Batignolles, bei einer Familie Wepler, das sind die, wo die Hochzeit war, kommen würde.« Der Bürgermeister schaute den Friedensrichter an, als wolle er sagen: Aufgepaßt!, und fuhr in seinem Verhör fort.
    Â»Und haben Sie diesen Guespin, wie Sie ihn nennen, wiedergesehen?«
    Â»Nein, Monsieur, ich habe sogar am Abend mehrmals nach ihm gefragt, seine Abwesenheit kam mir verdächtig vor.« Offensichtlich versuchte die Kammerjungfer, sich den Anschein von Weitblick zu geben; noch ein bißchen, und sie hätte von einer Ahnung gesprochen.
    Â»Wie lange ist dieser Bedienstete schon im Haus?« fragte Monsieur Courtois.
    Â»Seit dem Frühjahr.«
    Â»Was hatte er zu tun?«
    Â»Er wurde uns aus Paris vom Fröhlichen Gärtner geschickt, um die exotischen Gewächse von Madame in deren Gewächshaus zu hegen.«
    Â»Und... hatte er Kenntnis von dem Geld?«
    Die Bediensteten warfen sich erneut bedeutungsvolle Blicke zu.
    Â»Jaja, durchaus«, antworteten sie alle zusammen, »wir haben ja untereinander viel darüber geredet.«
    Â»Er hat ja selbst zu mir gesagt«, fügte die geschwätzige Kammerjungfer hinzu, »wenn man bedenkt, daß der Comte jetzt in seinem Sekretär so viel hat, daß wir alle zusammen davon unser Auskommen hätten!‹«
    Â»Was für eine Art von Mann ist er?«
    Diese Frage beendete die Schwatzhaftigkeit der Dienstboten mit einemmal. Keiner wagte zu reden, und sie alle fühlten, daß schon das kleinste Wörtchen zur Grundlage einer schrecklichen Anklage werden könnte.
    Doch der Stallbursche vom Anwesen gegenüber, der schon lange darauf wartete, sich ins Gespräch zu mischen, hielt sich nicht länger zurück.
    Â»Das ist ein feiner Kerl«, sagte er, »dieser Guespin, und wo der schon überall rumgekommen ist, Gott o Gott! Und Geschichten weiß der! Und er kennt alle Welt, scheint, daß er vorzeiten mal reich war, und wenn er wollte... Aber, verdammt noch mal, er mag sich eben nicht ins gemachte Nest setzen und ist ein Zechbruder wie kein zweiter und ein Billardspieler, ha!«
    Indem er zerstreut diesen Darlegungen oder, besser gesagt, diesem pöbelhaften Klatsch zuhörte, musterte Vater Plantat sorgfältig Mauer und Gitter. Dann drehte er sich um und unterbrach den Stallburschen.
    Â»Genug davon«, sagte er, sehr zum Leidwesen von Monsieur Courtois. »Bevor wir mit diesem Verhör fortfahren, täten wir gut daran, zunächst einmal das Verbrechen festzustellen, wenn es überhaupt ein Verbrechen ist, denn das ist schließlich noch nicht bewiesen. Wer von Ihnen den Schlüssel hat, möge das Tor öffnen.«
    Der Kammerdiener hatte den Schlüssel, er schloß auf, und alle betraten den kleinen Hof. Die Gendarmen waren inzwischen auch eingetroffen. Der Bürgermeister befahl dem Brigadier,
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