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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival
Autoren: Émile Gaboriau
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ihm zu folgen, und stellte zwei Männer vor das schmiedeeiserne Gitter, wobei er ihnen auftrug, niemand ohne seine Erlaubnis hereinzulassen.
    Dann schloß der Kammerdiener die Haustür auf.
    * * *
    W enn auch kein Verbrechen, aber etwas Außergewöhnliches war im Hause des Comte de Trémorel vorgefallen; der unbewegte Friedensrichter mußte vom ersten Augenblick, da er das Haus betreten hatte, davon überzeugt sein.
    Die verglaste Balkontür, die zum Garten führte, war weit aufgerissen und drei Scheiben in tausend Stücke zersprungen. Die Wachstuchbahnen, die alle Türen miteinander verbanden, waren beiseite gerissen, und auf den weißen Marmorfliesen schimmerten hier und da Blutflecken. Am Fuße der Treppe war ein größerer Fleck, und die letzte Treppenstufe war schlammverschmiert.
    Angesichts dieser Tatsache und der Mission, die er zu erfüllen hatte, fühlte Monsieur Courtois, wie er schwach wurde. Zum Glück bezog er aus dem Gefühl seiner Würde und seines Amtes eine Energie, die seinem Charakter mangelte. Je mehr ihn der Beginn dieser Affaire verwirrte, desto mehr fühlte er sich davon durchdrungen, sie wohlgeordnet zu Ende zu führen.
    Â»Führt uns zu der Stelle, wo ihr den Körper entdeckt habt«, sagte er zu den beiden Bertaud.
    Aber Vater Plantat war anderer Meinung.
    Â»Es wäre, glaube ich, vernünftiger«, gab er zu bedenken, »damit zu beginnen, sich im Haus umzusehen.«
    Â»Gewiß, ja, in der Tat, das dachte ich auch schon«, sagte der Bürgermeister, der sich an den Rat des Friedensrichters klammerte, wie sich ein Ertrinkender an eine Planke klammert.
    Und er beorderte die beiden Bertaud wieder in den Salon zurück, wo sie warten sollten. Dann begab er sich mit dem Kammerdiener, Vater Plantat und dem Brigadier in die Gemächer im ersten Stock.
    Die Treppe, die in den ersten Stock führte, war ebenfalls blutverschmiert. Blut befand sich auch auf dem Treppengeländer, und Monsieur Courtois bemerkte mit nicht gelindem Entsetzen, daß er blutgerötete Hände hatte.
    Als sie auf dem Absatz der ersten Etage angekommen waren, fragte der Bürgermeister den Kammerdiener:
    Â»Sagen Sie, mein Freund, hatten Ihre Herrschaften ein gemeinsames Schlafzimmer?«
    Â»Ja, Monsieur«, antwortete der Bedienstete.
    Â»Und wo ist dieses Zimmer?«
    Â»Hier, dieses.«
    Doch gleichzeitig mit der Antwort wich der Kammerdiener entsetzt zurück, denn die Tür, auf die er wies, zierte der Abdruck einer blutverschmierten Hand.
    Schweißtropfen perlten über die Stirn des armen Bürgermeisters; nur mühsam konnte er sich aufrecht halten. Mein Gott, wie verpflichtend doch die Ausübung von Macht war. Der Brigadier, ein alter Soldat aus den Krimkriegen, schien sichtlich bewegt zu zögern. Allein Vater Plantat betrachtete den blutigen Abdruck ungerührt, als habe er ein besonders interessantes Exemplar einer Petunie vor sich.
    Â»Alsdann«, sagte er und öffnete die Tür.
    Das Zimmer, das sie betraten, bot nichts Ungewöhnliches. Es war ein Empfangszimmer, in blauem Samt gehalten, mit einem Diwan und vier Sesseln in der gleichen Farbe wie die Wände möbliert. Einer der Sessel war umgestürzt. Man ging ins Schlafzimmer.
    Hier war die Unordnung bestürzend, kein Möbelstück, keine Nippessachen, die nicht von einem schrecklichen, wütenden, gnadenlosen Kampf kündeten, der zwischen den Mördern und ihren Opfern stattgefunden haben mußte. In der Mitte des Zimmers lag ein umgestürzter Lacktisch, überall war Würfelzucker verstreut, Silberlöffel und Porzellanscherben bedeckten den Boden.
    Â»Aha!« meinte der Kammerdiener. »Madame und Monsieur waren beim Tee, als die Verbrecher eingedrungen sind!« Das Kaminbesteck war umgestoßen worden, die heruntergefallene Kaminuhr war auf drei Uhr zwanzig stehengeblieben.
    Neben der Uhr lag die Petroleumlampe; die Glocke war zersprungen, das Öl herausgelaufen.
    Der Betthimmel war herabgerissen worden und bedeckte nun das Bett. Man mußte sich verzweifelt an die Bettdecke geklammert haben. Die Möbel waren umgestoßen. Die Sessel hatte man aufgeschlitzt, und aus manchen quoll die Polsterung. Man hatte den Sekretär aufgebrochen, die Schreibplatte hing nur noch lose in den Scharnieren, die Schubladen standen offen und waren geleert worden. Das Glas des Schränkchens war zerbrochen, ein niedliches Bouler
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