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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil
Autoren: John T. Lescroart
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gar nichts nachgedacht, begreifen Sie das nicht? Ich hab nur versucht, die Tage heil zu überstehen.«
    Hardy wußte, was sie meinte. Sie kratzte mit einem Fingernagel über die Tischplatte und starrte auf den gelblichen Streifen Lack, der sich abschälte und abblätterte. Wieder schluckte sie - als müßte sie all ihre Kraft aufbringen, um nicht zusammenzuklappen. Aber ihre Stimme - ihr Klang -hörte sich beinahe sachlich an, wenn auch müde. Er war sich sicher, daß die Klangfarbe eine Schutzmaßnahme darstellte. Tja, sie würde versuchen müssen, das Timbre weicher hinzubekommen, sofern ihr Fall zur Verhandlung kommen sollte, sofern sie aussagen mußte. Sie würde abgebrüht wirken. Sogar kaltschnäuzig.
    Doch das war, falls überhaupt, noch weit weg.
    »Ich hab einfach versucht, mich allmählich an die ganze schreckliche Sache zu gewöhnen. Ich meine, na gut, ich könnte verstehen, daß vielleicht irgendwer auftaucht, der ins Haus einbricht oder irgendwelchen Ärger mit Larry hat - ich weiß nicht was. Und Larry wird erschossen. Larry, mein Gott ... Aber Matt...?«
    Sie war im Begriff, den Kampf gegen die Tränen zu verlieren.
    Hardy fühlte mit ihr. »In den Zeitungen hieß es immer, daß die Sache mit Matt ein Unfall gewesen sein muß, daß er in einem passenden Moment hereinspaziert kam, irgend so was.«
    Sie nickte. »Genau darüber habe ich nachgedacht, Mr. Hardy. Wenn er bloß nicht dort gewesen wäre, wenn es ein Schultag gewesen wäre, wenn Matt nicht hereinspaziert gekommen wäre oder irgendwas gesagt hätte oder was immer es war, das er getan hat ... Oder wenn ich zu Hause geblieben wäre, hätte ich ihn dann beschützen können?« Sie biß sich auf die Lippe, schlug mit der zierlichen Faust auf den Tisch. »Darüber habe ich nachgedacht, nicht über die gottverdammten Gründe, warum irgendwer auf die Idee kommen könnte, daß ich es gewesen bin. Und das ist auch schon alles, worüber ich nachgedacht habe.« Eine Träne fiel auf den Tisch, und sie schlug mit der Hand danach. »Verdammt noch mal«, sagte sie. »Verdammt noch mal.«
    Wieder klang sie abgebrüht.
    »Ist schon gut«, sagte Hardy und meinte ihr Fluchen, die Tatsache, daß sie die Beherrschung verloren hatte.
    »Nichts ist gut.«
    Hardy lehnte sich in dem unbequemen Stuhl zurück. Sie hatte recht. Und er glaubte ihr.
    Schließlich fiel ihr doch noch etwas ein.
    »Möglicherweise haben sie gedacht, es geht um die Versicherung, aber es geht nicht...«
    »Wie hoch war die Versicherung?«
    »Nun, Larry ... er war Arzt, und Sie wissen ja ... vielleicht wissen Sie es nicht, aber alle Ärzte sind ganz wild, was Versicherungen angeht. Sie müssen es sein, wegen etwaiger Kunstfehler und überhaupt. Jedenfalls hatte Larry eine Versicherung über zweieinhalb Millionen Dollar.«
    Hardy nahm das zur Kenntnis. »Die doppelte Summe im Falle eines gewaltsamen Todes oder Unfalltods?«
    Jennifer nickte. »Larry wollte sichergehen, daß ... das Haus abbezahlt werden könnte, falls er sterben sollte, und daß ich und Matt finanziell abgesichert wären. Es schien nicht übertrieben hoch, als wir den Vertrag abschlössen, und Larry konnte es sich leisten. Aber jetzt denken sie, ich hätte ihn« -sie stockte, kämpfte dagegen an -, »hätte ihn wegen des Geldes getötet, was einfach lächerlich ist. Wir hatten genug Geld. Hören Sie, Larry hat weit über hunderttausend Dollar im Jahr verdient.«
    »Aber Sie hätten mehr, falls er nicht mehr mit von der Partie war?« Er wollte vorfühlen. Er hatte den Eindruck, er mußte es tun.
    »Ja, aber ...« Sie streckte die Hand aus und berührte ihn am Ärmel. »Ich schätze, das ist die andere Sache. Wir haben uns gestritten.«
    Sie zuckte die Achseln. Ihr Mund klappte auf und wieder zu. »Ich war bei einem Psychiater in Behandlung, und Larry ... jedenfalls hatten wir uns ein paarmal gestritten, aber es war überhaupt gar keine Rede von einer Trennung. Keiner von uns wollte das. Wir hatten ja Matt.«
    »Wie lange waren Sie verheiratet?«
    »Acht Jahre.«
    Hardy hatte seinen Notizbock herausgenommen, aber vorwiegend hörte er zu, wartete auf einen falschen Ton. Jetzt unterbrach er sie, weil ihm bewußt wurde, daß sie den wichtigsten Punkt ausgeklammert hatten. »Man hat Sie doch nicht verhaftet, weil Sie sich ein paarmal mit Ihrem Mann gestritten haben, Mrs. Witt. Es muß irgend etwas geben, das Sie direkter mit dem Verbrechen in Verbindung bringt, oder es gibt keinerlei Basis für die Anklage. Hat man Ihnen gesagt, was das
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