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Das Unglück der kleinen Giftmischerin

Titel: Das Unglück der kleinen Giftmischerin
Autoren: Erich Wulff
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Untersuchungshäftling seinem Vernehmungsbeamten an, Aussagen über einen vor drei Jahren begangenen Mord zu machen, mit dem ein früherer Zellengenosse, ein jugendlicher Russlanddeutscher, geprahlt hätte. Der Drogendealer behauptete, von diesem Mann um Stoff erpresst zu werden: Mit der Geschichte vom Mord hätte der beweisen wollen, wozu er fähig sei, wenn man seinen Forderungen nicht nachkomme. Ob es sich tatsächlich um eine Erpressung handelte, konnte nicht geklärt werden. Vielleicht wollte der Dealer, der sich mit seiner Aussage eine mildere Strafe erhoffte, mit dieser Behauptung auch nur seine Denunziation rechtfertigen.
    Der damalige Zellengenosse des Dealers, der zwanzigjährige Josef Buratzki, konnte ohne große Schwierigkeiten identifiziert werden. Er war seinerzeit nur ganz kurz wegen eines Körperverletzungsdeliktes in Haft gewesen und lebte inzwischen mit seiner Freundin zusammen. Schon bei seiner ersten Vernehmung gab er zu, zusammen mit anderen Russlanddeutschen einen jungen Landsmann entführt, zusammengeschlagen, in einem kleinen Badesee ertränkt und dann an dessen Ufer verscharrt zu haben. Die Polizei war zunächst etwas ungläubig, aber als sie mit dem jungen Mann an den angegebenen Ort fuhr, fand sie dort eine schon skelettierte Leiche, die sich als sterblicher Überrest eines Andreas Trabandt identifizieren ließ, eines Heroinabhängigen, der drei Jahre zuvor verschwunden war. Damals war erfolglos nach ihm gesucht worden. Schließlich hatte die Polizei vermutet, dass er nach Russland zurückgekehrt war.
    Buratzki gab schließlich die Namen der anderen sieben jungen Leute preis, die an der Entführung und Tötung Trabandts beteiligt gewesen waren. Sechs von ihnen wurden festgenommen. Der siebte, Nikolai Schuster, den Buratzki als Initiator des Verbrechens bezeichnete, konnte sich nach Großbritannien absetzen. Vier von ihnen waren zur Tatzeit Jugendliche, drei Heranwachsende gewesen. Nur einer, der besagte Nikolai Schuster, galt rechtlich als Erwachsener - er war zur Tatzeit gerade 21 Jahre alt geworden. Drei der Angeschuldigten hatten inzwischen ein Kind bekommen und eine Arbeit aufgenommen, alle hatten eine Partnerin, aber nur einer, Eugen Schmied, war mit der seinen eine Ehe eingegangen.
    Vor der Polizei hatten alle Beschuldigten Aussagen gemacht, außer Woldemar Schuster, dem Bruder des vorgeblichen Anstifters, der auf seinem Recht zu schweigen beharrte. Nur einer, Leo (Lew) Stallmeyer, stritt seine Beteiligung ab. Zwar habe Nikolai Schuster ihm erklärt, Trabandt verdiene eine Abreibung, er hätte sich jedoch geweigert, dabei mitzumachen. Die anderen räumten ihre Tatbeteiligung zwar ein, aber jeder von ihnen versuchte seinen Beitrag zu minimieren und den anderen, vor allem dem nach England geflohenen Nikolai Schuster, die Hauptverantwortung für das, was geschehen war, anzulasten. Als gemeinsamer Kern ihrer Aussagen stellte sich dabei Folgendes heraus: Nikolai Schuster war damals der Heroindealer seiner abhängig gewordenen Landsleute gewesen und er hatte mit Trabandt immer wieder Ärger gehabt. Vier Wochen vor der Tat war er von diesem sogar durch einen Messerstich verletzt worden. Einer der Tatbeteiligten brachte seine Vermutung zum Ausdruck, dass es dabei um die Qualität des verkauften Stoffes ging, die anderen stritten das ab. Am Morgen des Tattages hatte Schuster sie alle angerufen: Er werde Trabandt nun endlich die verdiente Abreibung verpassen und sie mögen ihm dabei behilflich sein. Am Treffpunkt warteten sie zu acht. Außer seinen heroinabhängigen Klienten hatte Schuster noch seinen Bruder Woldemar und seinen entfernten Cousin, den schon genannten Eugen Schmied, mitgebracht. Als Trabandt erschien, »bewogen« sie ihn, in eines der zwei von ihnen mitgebrachten Autos zu steigen, um zu einem kleinen See zu fahren, wo Trabandt seine Tracht Prügel beziehen sollte. Unterwegs versuchte Trabandt zu entkommen, weshalb er geknebelt und gefesselt wurde. Am See angekommen nahm Schuster Trabandt den Knebel ab, und als dieser ihn wütend bedrohte, ordnete er an, Trabandt ins Wasser zu werfen. Da erst hatten sie begriffen, dass mehr als eine Abreibung vorgesehen war. Trotz des nur flachen Wassers hatte Trabandt wegen seiner Fesseln Mühe gehabt, den Kopf über Wasser zu halten. Schuster hatte sie dann veranlasst, den Flerumzappelnden mit Steinen zu bewerfen, die am Ufer lagen. Als Trabandt am Kopf getroffen wurde, ging er unter. Sie holten ihn zwar nach einiger Zeit heraus, sahen jedoch
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