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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz
Autoren: Magdalen Nabb
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Beziehung wohl nicht ganz so, wie ich gedacht hatte…«
    »Das gefällt mir. Ja, wirklich. Maresciallo, ich weiß nicht, ob unsere Beziehung so war, wie Sie es sich gedacht haben, denn ich weiß ja nicht, was Sie gedacht haben.«
    Die kalt funkelnden Augen waren so hypnotisierend, daß dem Maresciallo beinahe entschlüpfte, daß er davon ausging, ihre Beziehung habe etwas mit dem mysteriösen Gemälde zu tun. Er glaubte auch, daß es Benozzetti nicht das geringste ausmachen würde, wenn er das laut ausspräche. Benozzetti lebte auf einem anderen Stern, wo dies nicht von Belang war und wo der Maresciallo ihn auch nicht zu fassen bekommen würde. Trotzdem sagte er es nicht. Außerdem hatte er das Gefühl, Benozzetti könne das sehr wohl selbst sagen. Daher besänftigte er ihn, indem er murmelte: »Vielleicht habe ich ja einen Fehler begangen und Sie für nichts und wieder nichts behelligt…«
    »Keineswegs. Ich wollte Sie nicht kränken. Landini war ein Freund und Kollege, und, jawohl, er war ein Kritiker, aber doch kein solcher Dummkopf wie die meisten. Ach, die Experten, Maresciallo, die Experten! Haben Sie jemals genauer über die Experten nachgedacht?«
    »Ich – nein, nein. Experten überhaupt, meinen Sie? Nein.« Benozzetti beugte sich vor und flüsterte erregt: »Nackt!«
    »Wie bitte?«
    War das der Grund, weshalb seine Augen so furchterregend aussahen? War er ein Verrückter?
    »Splitterfasernackt! Des Kaisers neue Kleider! Nackt wie am Tag ihrer Geburt. Nackt in ihrer Ignoranz und ihrer Arroganz. Sagen Sie mir, haben Sie je von einem Musikwissenschaftler gehört, der keine einzige Note zu spielen vermochte? Einem Literaturkritiker, der weder lesen noch schreiben konnte? Einem Fußballfunktionär, der sein Lebtag an keinem einzigen Spiel teilgenommen hatte? Ist Ihnen so etwas je untergekommen?«
    »Ich glaube nicht…«
    »Ich auch nicht. Aber der Kunstexperte gehört wirklich zu einer besonderen Spezies. Er kann nicht zeichnen, er kann nicht malen, und bildhauern kann er auch nicht, doch er fühlt sich berechtigt, über Leonardo, über Botticelli, über Michelangelo zu urteilen. Ein Wunder von einem Menschen, finden Sie nicht? Er vermag mit den eigenen Augen oder Händen auch nicht den simpelsten Gedanken gestalterisch auszudrücken, aber er kann Urteile über Genies fällen. Ach, wo wären wir ohne den Experten – Sie wissen, wofür er da ist, nicht wahr? Er ist da, um dem Kunsthändler zu dienen, nicht etwa der Kunst oder dem Künstler. Und unser Landini, der nicht der schlimmste dieser Spezies war, wußte das. Er trug die neuen Kleider des Kaisers mit beträchtlicher Nonchalance und machte damit glänzend Karriere, aber Illusionen machte er sich nicht. Und er hatte Geschmack, er war kein bloßer Katalogisierer. Die übrigen könnten ebensogut Wäschelisten schreiben denn das ist das einzige, wovon sie etwas verstehen – Sie haben nicht zufällig selbst eine Liste in der Tasche?«
    »Eine Liste?«
    »Schon gut. Ich habe mich nur gefragt. Wenn ich mich nicht irre, haben Sie ein Sonderdezernat, das sich für Bilder interessiert.«
    »Oh, ich verstehe… ja. Ich bin aber nur…«
    »Ein Freund der Familie.«
    »So ist es«, erwiderte der Maresciallo, und sein Blick wurde ausdruckslos und leer, als er diesen funkelnden kalten Augen auswich. Einmal, es war lange her, in den frühen Jahren seiner Ehe, hatte seine Frau ihn verärgert angeschrien: »Kannst du dich nicht einmal streiten? Antworte mir! Dreh dich nicht einfach um und stell dich tot!«
    Und er hatte sich gewundert. Inzwischen tat sein pummeliger, friedlicher Sohn Giovanni genau dasselbe, wenn er von seinem flinken, nervösen jüngeren Bruder angegriffen wurde, und der Maresciallo wußte daher, wie das aussah – und daß es wirkungsvoll war. »Obwohl ich, wie schon gesagt, mehr ein Freund des jungen Marco bin. Landini selbst habe ich zwar auch einmal kennengelernt, aber das liegt schon mehr als zehn Jahre zurück. Sie sind nicht verheiratet?«
    »Nein.«
    »Nicht, das dachte ich mir. Ist das etwas, woran Sie arbeiten, dort unter dem Plastik? Ton, sagten Sie?«
    »Ein Akt. Das ist einer der Gründe, weshalb ich nie geheiratet habe. Alle Welt nimmt an, daß Künstler mit ihren Modellen schlafen. Eine Frau hätte mir keine Ruhe gelassen.«
    »Ja, Sie haben das alles sicher mit Bedacht so eingerichtet, diesen schönen großen Raum, den Sie kühl halten können, damit Ihr Ton keinen Schaden nimmt, und niemand bei Ihnen, der Sie stören könnte.«
    Der
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