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Das unendliche Blau

Das unendliche Blau

Titel: Das unendliche Blau
Autoren: Annette Hohberg
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zurückzieht und neben ihren Vater setzt, aus Angst oder Traurigkeit oder Wut oder einer Mischung aus allem. Martha, die immer für alles eine Antwort gesucht hat, würde nichts mehr klären können. Und während sie den Salbei in Streifen schneidet, merkt sie plötzlich, dass sie das auch gar nicht mehr will. Sie sieht auf die silbrigen Blätter vor sich und lässt die Fragen in sich los. Schließlich hat sie nichts mehr zu verlieren.
     
    Später decken alle zusammen den Tisch. Sie räumen die Bretter und Messer beiseite und stellen Kerzen und Weinflaschen und Wasserkaraffen darauf. Das Geschirr ist aus grün-weißem Steingut, an einigen Stellen blättert bereits die Farbe von den Tellerrändern. Das Silberbesteck ist schwer und ein bisschen angelaufen. Es trägt alles die Gebrauchsspuren von Jahrzehnten. Wie ich, denkt Martha und lacht.
    Michele und Hans sehen sie an, gleichzeitig. Und sie lacht noch ein bisschen mehr.
    Der Lammbraten kommt nach zwei Stunden aus dem Ofen, doch sein Duft hat bereits vorher alle überzeugt.
    Lina nimmt sich mehr als einmal nach. Als Silvio ihr sagt, dass er eine Schwäche hat für Frauen, die gut und gern essen, bedankt sie sich bei ihm artig für das Kompliment.
    Martha beobachtet die beiden. Er gefällt ihr, denkt sie, doch sie will ihm das noch nicht zeigen.
    Und er? Sieht Lina an, ein Blick, der sich Zeit nimmt, und dann gibt er Zugaben, wie ein Musiker, der fühlt, dass da ein Publikum sitzt, das er berührt hat. Sie habe eine erstaunliche Präsenz, erklärt er. Und hinreißende Augen habe sie auch. Währenddessen sieht er ihr auf die Beine, die sie übereinandergeschlagen hat. Sie trägt schwarze Strumpfhosen und Schuhe mit glänzendem Absatz.
    Lina erwidert die Schmeicheleien, indem sie ihm ihr Glas hinhält. Sie tut das ein bisschen zu forsch.
    Er schenkt ihr nach. Gleichzeitig schenkt er ihr ein Lächeln.
    Was bahnt sich da an? Martha würde es nicht mehr erfahren. Sie würde die Fortsetzung verpassen, und kurz durchzuckt sie ein Schmerz wie ein verletzter Nerv, der Klopfzeichen sendet.
    »Michele«, flüstert sie dagegen an, »pass auf deinen Freund auf.«
    Er sieht zu den beiden hinüber. »Ich fürchte, da bin ich machtlos.«
    Sie weiß, dass sie das auch ist.
     
    Als der Espresso gekocht und eine riesige Schokoladentorte aufgetragen wird, flirtet Lina bereits heftig. Silvio spielt mit.
    Francesca fährt irgendwann dazwischen und fragt ihn, ob er noch seine Gitarre im Haus habe.
    Er nickt, und mit einem Blick zu Lina läuft er hinaus, um kurz darauf mit einem Instrumentenkoffer zurückzukommen.
    Robert wirft gut gelaunt ein, dass er als junger Mann auch Gitarre gespielt hat, und Catherine ergänzt, dass sie ihm stundenlang zuhörte, wenn die Kinder endlich im Bett waren. »Er hat mich mit Bob Dylan in den Schlaf gesungen. Er konnte ihn wunderbar imitieren, diesen näselnden Tonfall.«
    »Das wollen wir hören«, ruft Martha. Sie weiß, warum sie dieses alte Ehepaar so mag. Ihr Vater fällt ihr ein. Er hätte sich wohl gefühlt unter diesen Menschen. Er lachte so gern, aber er hatte nicht viel zu lachen. Sie wischt sich mit der Hand über die feuchte Stirn. Die Kerzen flackern, im Ofen unter dem Herd brennt ein Feuer, und die Männer legen ständig Holz nach.
    Michele holt eine Magnumflasche Spumante aus dem Kühlschrank. Als er den Korken herausdreht, gibt es einen lauten Knall. Schnell füllt er die Gläser, und dabei lässt er den Schaum über die Ränder laufen.
    Francesca zupft ein wenig an den Saiten der Gitarre, dreht oben an den kleinen Stellschrauben und beginnt dann mit dem Geburtstagsständchen.
    Alle singen laut mit.
    Silvio sitzt da und lauscht. Ohne zu lächeln. Zwischendrin streift sein Blick Martha, die ihren Kopf in Micheles Schulterbeuge gelegt hat. Sie lacht noch immer, aber ihre Augen fallen manchmal zu, und als sie aufsteht, um Silvio zu gratulieren, wird ihr ein wenig schwindlig. Da ist es wieder, dieses Schwanken, wie vorhin im Garten. Er tut, als würde er nichts bemerken, und sagt, dass er sich gern von bezaubernden Frauen vorsingen und feiern lässt. Dann drückt er ihre Hand und hält sie einen Moment lang fest.
    Als Michele ihn umarmt, fährt ihm Silvio durchs Haar. »Du hast Glück, mein Freund«, sagt er und nickt in Richtung Martha.
    »Ich würde es gern festhalten«, entgegnet Michele.
    Silvio klopft ihm auf die Schulter. »Mann, du weißt doch, dass Glück wie eine launische Geliebte ist. Jetzt freu dich doch mal, dass sie sich heute von
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